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Seelenschacher

Seelenschacher

Titel: Seelenschacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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fuhr gerade ein Rettungswagen mit Blaulicht vorbei. Ich musste grinsen, denn im Telefon hörte ich die Molnar fragen: »Ist ihm was passiert?«, und Morattis Antwort: »Nein, glaube nicht.« Die beiden klangen ein bisschen nervös. Dann wieder zu mir. »Also, was spielt sich da ab?«
    »Sie müssen das Buch selber holen.«
    »Warum?«
    »Weil mein Partner mich übers Ohr gehauen hat.«
    »Wir hatten nichts von einem Partner gesagt. Sind Sie wahnsinnig geworden, wissen Sie, was das bedeutet, wenn das rauskommt, Sie Fallott!« Aufgeregt verfiel Moratti wieder in seine heimatliche Ausdrucksweise, die mit den Schneegipfeln in den Vokalen und den gefällten Baumstämmen bei den Knacklauten. Wieder ein Geräusch am anderen Ende der Leitung. Die Molnar.
    »Was ist da los? Warum haben Sie jemanden hinzugezogen?«
    »Weil der eine echte Koryphäe ist und so alles viel sicherer vonstatten gegangen ist, als ich das hätte durchführen können. War sicher in unserem Interesse.«
    Da musste ich ausweichen, weil eine junge Mutter mit Kinderwagen und einem weiteren Sprössling zur Tür hinaus wollte, die ich blockierte. Im Wagerl saß ein Mädchen in Rosa, mit Maschen im Haar. Ihr Bruder, ein bisschen älter, vielleicht 4, ging alleine. Er hatte ganz dunkles, gelocktes Haar, große dunkle Augen und schmale Lippen. Er starrte mir unentwegt tief in die Augen. Die Mami schien sehr jung zu sein, mit Ganzkörperkutte und Kopftuch. Das Kopftuch in strahlendem Silberrosa und die Kutte in unterwäschefreundlichem Hauteng. Die Kleidung war viel, aber sicher nicht puritanisch. Selbstbewusst schupfte sie mich mit dem Kinderwagen beiseite. Ich murmelte eine Entschuldigung.
    »Was soll das?«
    »Passanten.«
    »Ach so.« Pause. »Weiter.«
    »Der bewusste Partner hat jetzt das Notizbuch.«
    »Wie konnten Sie nur so blöd sein, sich übers Ohr hauen zu lassen.«
    »So blöd war ich nicht. Damit hab ich gerechnet gehabt. Ist so auch viel praktischer.«
    »Warum?« Sie grübelte kurz. »Wir verhaften ihn und müssen keine unangenehmen Fragen beantworten, woher wir das Ding haben.«
    »Genau.«
    »Gut. Adresse.«
    »In der Holochergasse.« Keine Reaktion. Ich nannte die ganze Adresse und den kompletten Namen. Noch immer keine Reaktion.
    »Noch nie von Kurti gehört?«
    »Nein.«
    »Fragen Sie mal die älteren Kollegen.« Damit legte ich auf. Schritt eins und zwei hatten geklappt. Nun hieß es Daumen halten und weitermachen. Das Weitermachen führte mich zurück zum Kotanko. Beim Eintreten bestellte ich einen großen Mokka und bekam ihn diesmal ohne den Schnaps dazu, denn der Chef war nicht da.
    »Der Kurti war nicht zu Hause«, meinte ich zum neuen Mädchen hinter der Bar, sie war vielleicht 16.
    »Net?«
    »Nein.«
    »Komisch.«
    »Vielleicht ist er bei seiner Freundin.«
    »Hat er kane Gspusi.«
    »Sicher, wo wohnt denn die Bedienung?«
    »Ich wohne hinten, am Kirche«, antwortete das Mädchen hinter dem Tresen frech. Sie war Rumänin. Und hübsch.
    »Nein, ich meine diejenige vom letzten Mal.«
    »Die Ira, wohnt sie gleich vis à vis. Nummer 11.«
    Ich trank den Kaffee aus, bezahlte und ging. Sobald ich draußen war, hetzte ich über die Straße und klingelte. An allen Knöpfen. Eine Sekunde später summte der Türöffner und in der Gegensprechanlage tobte ein Orkan aus tausend Stimmen und ebenso vielen Sprachen. Ich wette, nicht einmal Beelzebub persönlich kennt so viele Flüche. Drinnen eilte ich die Treppen hinauf, bis ich vor Nummer 11 stand. Die Tür war zu. Verschlossen. Das machte nicht viel, denn sie bestand aus zwei Flügeln. So eine hatte ich auch einmal gehabt. Ich lehnte mich gegen den Türknauf, drückte ihn fest nach oben, so dass sich die Tür ein wenig anhob, dann warf ich mich mit aller Kraft gegen den zweiten Flügel. Ein Knacksen, unisono Tür und Schulter, ein bisschen Schmerz, denn blöd wie ich bin, hatte ich wieder die Schulter erwischt, die schon den Sturz aus dem VW aufgefangen hatte. Die Tür war offen. Lebe und lerne, heißt es. Oder doch lebe und leide? Egal, beides hat was.
    Jedenfalls war ich drin. Die Wohnung, soweit ich sehen konnte, schien ein gemütliches Chaos zu sein. Helle Farben, viel schönes Allerlei, es roch gut und alles wirkte fröhlich. Überall Topfpflanzen. Plötzlich stand eine Frau vor mir, nackt. Sie war nie im Leben Ira. Ich hatte die falsche Türe geknackt. Die Frau schien noch nicht ganz wach zu sein und sah mich fragend an.
    »Wohnt hier nicht Ira?«
    »Ira?«
    »Ja.«
    »Sicher.« Sie drehte

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