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Seelenschacher

Seelenschacher

Titel: Seelenschacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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g’hulfen. Wenn ma an Menschen so lang kennt und alles …« Er verstummte. Schaute über die grünen Hügel nach Westen. »Vielleicht wars eh besser so. Schuldig fühlt ma sie doch imma.«
    Ich nickte stumm.
    »Wenn a Freund stirbt, des is a schwere Last.«
    Wir blieben noch ein bisschen bei dem Thema, als dann mein Bier aus war, verabschiedete ich mich und ging. Die Sonne brannte mir auf den Rücken, den ganzen Weg die Steinbruchstraße hinunter. Wenigstens wusste ich jetzt, wo Buehlins Maschine geblieben war.

II
    Nun war Hausser dran. Diesmal ging ich nicht von vorne in die Wohnanlage, sondern einfach über die Rasenflächen zwischen den Häuserblocks. Grünes Gras, Birken, ein verwahrloster Spielplatz und Wäscheständer standen herum. An ein paar der Ständer hing frisch Gewaschenes, Höschen, Hemden und solche Sachen. Es roch ein wenig nach Waschmittel und Sauberkeit. Dazwischen jagten immer wieder ein paar kleine Kinder über die Waschbetonfliessen, die meisten hatten nur Badehosen an. Ein kleiner Junge fiel mir auf, der, vielleicht fünfjährig, dazu verdammt war, mit einer riesigen braunen Badehose aus den Sechzigern herumzulaufen. Alle paar Schritte musste er haltmachen, um das Ding wieder hochzuziehen. Eigentlich hätte er gleich nackt laufen können, aber das ging anscheinend nicht. Die Kinder kreischten und waren happy. Dann sah ich Hausser.
    Sein Rollstuhl klackte über die Waschbetonfliesen des Weges. Bei jeder Fuge war ein »Tack« zu hören, wie in der Eisenbahn. Hausser schaute selbst für seine Verhältnisse missmutig drein. Auf seinem Schoß, den eine dicke Karodecke warm hielt, stand ein Sechserträger Bier. Das Kinderlachen schien ihm körperliche Beschwerden zu verursachen. Ich ging auf ihn zu, er erkannte mich und nickte. In seiner Rechten hielt er ein Pensionistenhandy, in das er irgendetwas eintippte. Als ich bei ihm war, steckte er es weg.
    »Sie scho wieda?«
    »Genau.«
    »Warum?«
    »Wollte ein bisschen mit Ihnen plaudern.«
    »Warum?«
    »Sie haben so viel Esprit.«
    »Geh und fick deine …« Aus Ehrerbietung meiner Mutter gegenüber verbietet es mir mein Anstand, Haussers Spruch wiederzugeben, aber ich denke, er ist auch so verständlich.
    »Sehen Sie, Hausser, das ist Esprit.«
    Ungerührt wiederholte er die Aufforderung. Was sie anderen Beschimpfungen, denen ich im Laufe meines Lebens ausgesetzt war, voraushatte, war ihre Ehrlichkeit. Hausser sagte es tatsächlich so, als ob er es ernst meinte.
    »Sie legen ein bisschen Blues auf und wir unterhalten uns. Dann bin ich wieder weg, und wenn Sie Glück haben, sehen Sie mich nie wieder.«
    »Kumman’s mit.«
    Wir benutzten den Hintereingang zu seinem Wohnblock, denn dort gab es eine Rampe, die in den Waschkeller hinunterführte. Es roch klamm und war dunkel. Obwohl ich es nicht sehen konnte, war ich mir sicher, dass in der vertieften Mitte des Raumes ein schwarzes Metallgitter vorhanden war, durch das Wasser abfließen konnte. Dort gab es sicher jede Menge Asseln und Tausendfüßler, die man den Mädchen ins Haar werfen konnte oder in die Jausensemmel stecken, wenn man garstig war und ein kleiner Junge.
    Schließlich kamen wir vor dem Lift zu stehen und nach ein paar Augenblicken fuhren wir nach oben.
    Draußen war es heiß gewesen, im Waschkeller kühl, im Lift drückend, aber in Haussers Wohnung war es der Wahnsinn. Die Luft schien sich wie ein Mantel aus flüssigem Blei um einen herumzulegen und dann unbarmherzig zuzudrücken, alle Poren verschließend und ein sanft klaustrophobisches Gefühl hervorrufend. Mir rann der Schweiß im Nacken herunter wie ein Bergquell.
    »I mogs warm.«
    »Sagen Sie bloß, Sie heizen?«
    »Geht net, die Stadt draht im Summer immer die Heizung ab. Aber i hab an Elektroofen.«
    »Sehr schlau.«
    »Genau.«
    Hausser räumte das Bier in den Kühlschrank, aus dem es ziemlich seltsam roch.
    »Sie trinken Bier?«
    »Na, aber nachher kummt a Schneggerl vorbei, die kan Schnaps mag.« Er fuhr zum Tisch und drückte Play. Bessie fing an zu singen und Hausser schaute mich an. Gott sei Dank bot er mir nichts zu trinken an.
    »Also, was is?«
    »Darf ich mich setzen?«
    Er nickte. Ich schob die Pornos beiseite und setzte mich.
    »Also, Hausser. Buehlin ist tot.«
    »I waß. Hat sie selber des Licht ausblasn. Na und?«
    »Was ist mit seinem Nachlass?«
    »Was sull sein damit? Die paar Biachln interessieren kein Schwein.«
    »Vielleicht. Doch wo ist seine Maschine?«
    »Woher soll ich des wissn. Hat eh net

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