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Seelenschacher

Seelenschacher

Titel: Seelenschacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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Eindruck, als wären Sie viel unterwegs.«
    »Ein Bekannter hat ihn mir vermittelt.«
    »Wer?«
    »Ein alter Freund.« Er war noch immer in die Betrachtung seines Werkes versunken.
    »Name, Adresse?«
    »Ernst Neumann, Kleingartensiedlung Steinbruch, Ecke Braillegasse.«
    »Das ist oben bei der Sternwarte, oder?«
    »Genau.«
    »Woher hat der den Kontakt?«
    »Keine Ahnung, hab ihn nicht danach gefragt.« Noch immer starrte er seine Maschine an.
    »Herr Buehlin«, ich rüttelte ihn unsanft an der Schulter. Er fuhr herum, völlig aufgeschreckt. Nun, da er den Blick von seiner Maschine abgewandt hatte, blinzelte er wieder nervös.
    »Wir hatten einen rauen Start, ich hoffe, Sie sind mir nicht allzu böse deswegen. Hier haben Sie meine Karte. Wenn irgendwelche Probleme mit Korkarian auftauchen sollten, lassen Sie es mich wissen. Ich regle das dann.« Der alte Mann hatte eine Saite in mir zum Schwingen gebracht, die ansonsten schweigt.
    Buehlin nickte nur und ließ die Karte in einer seiner ausgebeulten Taschen verschwinden.
    »Es war schön, dass Sie hier waren, doch ich muss mich jetzt um CoKon kümmern. Es ist noch so viel zu justieren.« Er schob mich förmlich aus seiner Wohnung. Augenscheinlich hatte er keine Ahnung mehr davon, was die letzte halbe Stunde passiert war. Ich nahm mir vor, auch so einmal nach ihm zu sehen. Wahrscheinlich würde er dann gar nicht mehr wissen, dass ich schon einmal da gewesen war. Buehlin war einer der Typen, die jahrelang in ihrer Wohnung liegen und niemandem fällt es auf, dass sie tot sind.

VI
    Während ich noch über Buehlin grübelte, hatten meine Füße auf dem Weg zum Donaukanal einen Umweg eingeschlagen. In der Clusiusgasse wohnte zu der Zeit ein guter Freund. Bevor ich der Kreditsache weiter auf den Grund ginge, wollte ich noch ein bisschen etwas anderes in Erfahrung bringen, und dafür war er der richtige Mann. Unter den Sommerlinden, neben einer Hauseinfahrt, findet sich in der stillen Gasse ein Milchglasfenster. Dort klopfte ich an. Es dauerte nicht lange, ich hörte Schritte und das Fenster öffnete sich.
    »Servus, Arno, willst du reinkommen?«, begrüßte mich eine volle, tiefe Männerstimme, die auch nach langen Jahren des Exils ihren rheinischen Ursprung nicht verleugnen konnte.
    »Sicher.«
    Ich wuchtete mich auf das Fensterbrett und stieg ein. Wir schüttelten uns die Hände. Shahin ist etwa einsneunzig groß und ein richtiger Kasten von einem Mann. Zehn Zentimeter mehr Schulterbreite und man könnte ihn bei Ikea unter dem Namen »Ririko« kaufen.
    »Willst du auch was essen? Ich mache mir nämlich gerade Reis.«
    Wenn Shahin einem Reis anbietet, sagt man nicht nein. Die wechselhafte Geschichte des 20. Jahrhunderts hat zwar viele der Verbindungen zu seinen Wurzeln zerstört, aber Shahin macht Reis, wie es eben nur ein Perser kann. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass er in der Nähe von Köln aufgewachsen ist. Persischer Reis wird gewaschen, angekocht, wieder gewaschen, dann der Reiskocher mit hauchdünnen Erdäpfelscheiben ausgelegt und der Reis fertig gekocht. Schließlich, wenn der luftig trockene Reis Korn für Korn auf dem Teller liegt, mit den knusprigen Erdäpfelscheiben bedeckt, wird alles andere zur Nebensache. Zum Reis von Shahin kann man sogar Hinkelsteine essen.
    »Find ich super, dass du mal wieder vorbeischaust.«
    »Ich störe doch nicht?«
    »Nein, ich hab heut frei und wollte nur ein bisschen schreiben. Ich muss erst morgen wieder zu meinem verrückten Wirtschaftsprüfer.«
    »Gut, weil ich dich was fragen muss. Die ›Hohlwelttheorie‹ ist doch so eine Nazi-Theorie, oder?«
    Auf dem Gebiet Drittes Reich, Kriegsgeschichte und Verschwörungstheorien ist Shahin ein Ass. Die Wände seiner Wohnung sind durchgehend von überfüllten Bücherregalen bedeckt, Werke zu diesem Themenkomplex, die er nicht kennt, die gibt es nicht. Selbstredend ist er kein Antifaschist.
    Shahin war gerade dabei, sich einen Joint zu drehen, was er immer mit Filter und einer Maschine erledigt, als das Wort ›Hohlwelttheorie‹ seine Aufmerksamkeit vollständig in Besitz nahm.
    »Ja, ja, das ist ’ne verrückte Sache.« Er sprang auf und ging mit zwei langen Schritten durchs Zimmer. »Ich hab hier irgendwo’n paar Bücher zu dem Thema …«
    »Bleib nur sitzen, so genau muss ich es nicht wissen. Nur überschlagsmäßig.«
    Er setzte sich wieder an das kleine Tischchen, das maximal so groß wie seine Handinnenfläche war, obwohl Shahin die kleinen Hände eines

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