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Seelenschacher

Seelenschacher

Titel: Seelenschacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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eine Neonlampe für Licht. Buehlin setzte sich an den Tisch, faltete die Hände im Schoß und schaute mich groß an. Seine Augen zwinkerten noch immer nervös und seine Finger glitten ineinander wie Schlangen. Abgesehen von den Pflastern, Brandspuren und Verfärbungen hatte er wunderschöne lange, schlanke Finger. Solche Finger wünschen sich Pianisten zu Weihnachten und Frauen träumen von ihnen. Ich setzte mich und legte den Revolver zwischen uns auf den Tisch, so dass der Lauf auf Buehlin zeigte. Daneben befand sich ein leinengebundenes Buch. »Hohlwelttheorie« stand auf dem Buchrücken.
    »Sie wollen also Geld von mir. Ich habe keines.« Er machte eine kleine Pause. »Und auch nichts, das einen materiellen Wert darstellt. Sie können mich also töten oder foltern, das wird Ihnen nicht viel einbringen.«
    »Aristoteles sagt, die besten Handlungen sind diejenigen, die ihren Wert in sich selbst tragen. Es gibt Menschen, die sehen das genauso. In Bezug auf Folter und Mord jedenfalls.«
    Ich ließ ihn ein wenig schwitzen. Dann machte ich weiter.
    »Aber keine Sorge, deswegen bin ich nicht hier. Ich will auch kein Geld von Ihnen. Ich bin hier, weil Sie einen Kredit aufgenommen haben.«
    »Der verfluchte Jude. Ich wusste doch, dass das alles ein Beschiss war.«
    »Was denn genau?«
    »Der ganze Vertrag. Niemand gibt einem Geld für seine Seele. Einfach so.«
    »Sie haben also Ihre Seele verhökert.«
    »Ja.«
    »Warum?«
    »Weil ich Geld brauchte, schnell, und sich sonst nichts anbot.«
    »Sie dachten nie daran, es zurückzuzahlen?«
    »Natürlich nicht«, stieß er wütend hervor. »Jetzt können Sie mit mir anstellen, was Sie wollen. Das Geld ist weg und kommt auch nicht wieder.«
    »Ich bin kein Inkassokommando. Wie lange ist das denn her, dass Sie den Vertrag geschlossen haben?«
    »Etwa ein Jahr.«
    »Und Sie haben nichts von Korkarian gehört seither?«
    »Doch, ich bekam drei Schreiben von ihm, als die Frist verstrichen war. Erinnerungen, völlig harmlos. Seit einem halben Jahr hab ich nichts mehr von ihm gehört.«
    »Wofür haben Sie denn das Geld gebraucht?«
    »Für meine Arbeit.«
    »Woran arbeiten Sie?«
    Er wollte zuerst nicht damit rausrücken, aber als ich wieder mit dem Revolver spielte, stand er auf und ging zum Vorhang. Ich folgte ihm. Er zog den schweren Stoff beiseite, und dahinter kam eine Werkstatt zum Vorschein, die aussah, wie sich Hollywood das Labor von Frankenstein vorstellt. An den Wänden hingen Werkzeuge, vom kleinsten Schraubenschlüssel bis zum größten Hammer, für jede Arbeit von der Feinmechanik bis zur Elektronik. An der hinteren Wand stand auf einem Tisch eine Anordnung Reagenzgläser, in denen Flüssigkeiten blubberten, kondensierten und schließlich in ein Tongefäß tropften. Die Wand dahinter sah aus wie eine der altmodischen Apothekerwände, ein kleines Türchen neben dem anderen, Hunderte davon und alle fein säuberlich beschriftet. Der üble Geruch hatte hier seinen Ursprung. Was zu Frankensteins Labor allerdings fehlte, war das Monster im Stuhl, mit den Elektroden am Kopf. Dafür stand in der Mitte des Raumes ein Kasten, ungefähr zweieinhalb mal einen Meter lang, etwa einen Meter hoch. Es war ein verwirrendes Konstrukt, an dem Kupferdrähte, zu Spiralen geformt, entlangliefen, Drähte herausstanden, und das mit mehr Details ausgestattet war, als sich wiedergeben lässt. Wenn jemals etwas nach einer Weltuntergangsmaschine ausgesehen hat, dann dieses Gerät.
    »Was stellt das dar?«, fragte ich nüchtern und bemerkte, dass der alte Mann neben mir den Gesichtsausdruck angenommen hatte, den manche Leute aufsetzen, wenn sie Kleintiere sehen. Er starrte verzückt auf seine Maschine, seine metallene Geliebte.
    »Wenn Sie das nicht sehen können, hat es auch keinen Sinn, dass ich es Ihnen erkläre.«
    »Funktioniert es?«
    »Sie funktioniert.« Er klang stolz wie der Vater einer Tochter, die den Nobelpreis eingesackt hat.
    »Woran merkt man das?«
    Er schaute mich an und lachte. Ein widerwärtiges, stimmloses Lachen. Wenn das vom Seelenverkauf stammte, musste ich mir die Sache noch einmal gründlich überlegen.
    »Das werden Sie schon noch merken. Alle werden das merken.« Es fehlten nur mehr ein missgestalteter Adlatus und eine blitzdurchzuckte Gewitternacht, dann wäre die Szene perfekt gewesen. So aber fühlte ich nur ein wenig Mitleid mit dem alten Mann, der sein ganzes Leben in diese Maschine gesteckt hatte.
    »Wie kamen Sie eigentlich zu Korkarian? Sie machen mir nicht den

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