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Seelenschacher

Seelenschacher

Titel: Seelenschacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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fast wieder gehen wollte, drehte sich ein Schlüssel und die Tür öffnete sich einen kleinen Spalt. Kalte Luft drang heraus, meine Nackenhaare sträubten sich.
    »Was wollen Sie?«, flüsterte eine Stimme, leise und eigentümlich stimmlos.
    »Mein Name ist Linder. Ich bin in einer dringenden Angelegenheit hier und hoffe, Sie können mir helfen.«
    »Ich kenne Sie nicht.«
    »Es ist wirklich dringend und ganz sicher von Vorteil für uns beide, wenn wir miteinander sprechen.«
    »Ich kenne Sie nicht.«
    »Dann sollten wir uns kennen lernen.«
    »Ich lasse keine Unbekannten in meine Wohnung.«
    »Sprechen wir halt hier vor der Tür miteinander.«
    »Es werden uns alle zuhören können.«
    Ich merkte förmlich, wie Neugier und Vorsicht miteinander rangen. Schließlich blies er energisch durch die Nase aus und die Tür schloss sich. Ich hatte gewonnen. Drinnen hörte ich Ketten klirren und die Tür öffnete sich. Wieder nur einen kleinen Spalt. Eisig kalte Luft blies mir entgegen. So kalt, dass der durchdringende Geruch in der Kälte beinahe unterging. Ich zwängte mich durch die Tür und trat ein. Sofort schloss sich die Tür hinter mir mit einem lauten Knall. Buehlin schloss ab und baute sich vor mir auf. Obwohl er gebeugt dastand, war er gut einen Kopf größer als ich und sehr schlank, schon fast unterernährt. Er trug einen weißen Kittel, der an vielen Stellen verschmutzt und verbrannt war. Die Taschen des Laborkittels beulten sich aus und überall schauten die Enden von Werkzeugen heraus. Sein Gesicht war hager und scharf gezeichnet, die Augen unstet, und eine kühne Nase das Auffälligste. Auch im Gesicht wies er kleine Brandspuren auf.
    »Also, was wollen Sie?«, fuhr er mich an. »Ich habe eine Waffe.« Den Revolver hielt er in der Rechten. Beide Hände waren mit Pflastern übersät.
    »Mit Ihnen reden.«
    »Das haben Sie schon gesagt.«
    »Ich arbeite für eine Firma …«
    »Es wird nichts gekauft, gehen Sie.« Er deutete mit dem Revolver auf die Tür.
    »Nein. Ich will nichts verkaufen. Aber es geht um Geld.«
    »Hab ich keines. Raus mit Ihnen.« Wieder wies er mit dem Revolver zur Tür. Ich blieb ungerührt stehen.
    »Raus, hab ich gesagt.« Nervös fuchtelte er mir mit der Knarre vor dem Gesicht herum. »Die Wände sind dick hier, wenn ich Sie erschieße, hört das keiner. Also raus.« Der Lauf des Revolvers wies zur Tür.
    Jetzt hatte ich genug von dem Theater. Wenn das so weiterginge, würde mich der Irre wirklich noch über den Haufen schießen. Ich wartete, bis die Knarre weit von mir weg zeigte, machte einen schnellen Schritt, hatte sein Handgelenk gefasst und drehte einmal kräftig daran. Gegen einen echten Gegner hätte das nie funktioniert, aber Buehlin war keiner. Noch ehe ich sein Handgelenk sicher hatte, hatte er vor Schreck seine Waffe schon zu Boden fallen lassen. Ein bisschen Angst einjagen schadet nicht, dachte ich und drückte ihn gegen die Wand, sodass ich ihm mit seiner eigenen Hand am Hals die Luft abdrückte. Er wimmerte erbärmlich, und ich funkelte ihn böse an. Mit meinem besten Gangsterblick, dem, den ich von Bogey geklaut habe. Ich drückte noch ein bisschen zu.
    »Wenn ich Sie jetzt loslasse, sind Sie vernünftig. Sie werden mich in Ihr Wohnzimmer bitten, wir werden uns setzen, vielleicht bieten Sie mir auch was zu trinken an und wir plaudern gemütlich. Wie alte Freunde.«
    Er nickte bloß. Seine Augen blickten mich starr an und er blinzelte nervös. Als ich ihn losließ, sackte er beinahe in sich zusammen. Ohne mich aus den Augen zu lassen, ging er den Gang entlang ins Wohnzimmer. Ich hob den Revolver auf und folgte ihm.
    Das Wohnzimmer wie auch das Vorzimmer waren alt und vernachlässigt. An den Wänden klebten die Überreste alter Tapeten, die in den Sechzigern gelb gewesen sein mochten, heute aber nur mehr grau waren. An manchen Stellen hatte sich die Tapete von der Wand gelöst und der Verputz schaute hervor. Wasserflecken waren überall zu sehen, und wenn es nicht so beißend gestunken hätte, wäre sicher auch Schimmel zu riechen gewesen. Ein Vorhang, der in schweren, braunen Falten zu Boden hing, teilte das Wohnzimmer. Was sich dahinter befand, konnte ich nicht sagen. Ansonsten war das Zimmer leer, bis auf einen kleinen Tisch mit zwei Korbstühlen und Massen von Büchern, die verstreut und in Stapeln herumlagen. Dazwischen jede Menge einzelner Blätter, bedeckt mit Kopien, Skizzen und wirren Formeln. Die beiden Fenster waren mit Packpapier zugeklebt. An der Decke sorgte

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