Seelenschacher
reden. Ja?«
»Du kennst Bessie?«
»Sicher. Das ist doch ›Gimme a pigfoot and a bottle of beer‹.«
»Na, Burli, wenn’st die Smith kennst, kannst eina kumman. Bist eh stärker wia i.«
Die Tür öffnete sich. Mir rann der Schweiß in Strömen über das Gesicht, und mein Hemd klebte am Rücken. Ich schnaufte durch, der alte Mann und sein Rollstuhl hatten mir ordentlich zugesetzt. Wenn irgend möglich, war es in der Wohnung noch heißer als auf dem Gang. Die Luft, zum Schneiden dick, stand förmlich im Raum und umhüllte mich wie ein Mantel aus heißem Blei. Der Letzte, der gelüftet hatte, war vermutlich noch Augenzeuge der Sintflut gewesen.
Ich folgte Hausser in seine Wohnküche. Aus den billigen Boxen, die an einen portablen CD-Player angeschlossen waren, dröhnte die letzte Überleitung. Bessie Smith kam gerade zum Ende des Songs. Wie viele der alten Bluesstücke hatte auch dieses eine abschließende ›Confession‹, die an die sakralen Ursprünge dieser Musik erinnerte: ›Gimme a reefer and a gang of gin, play me, cause I’m in my sin, blame me, cause I’m full of gin.‹
Hausser war an den Esstisch gefahren, dessen Tischtuch zahlreiche Brandlöcher aufwies, und schenkte sich ein Gläschen Schnaps aus einer unetikettierten Flasche ein. Nachdem er den Schnaps geschluckt hatte, atmete er geräuschvoll in einem lang gezogenen »Ahhhhh« aus.
»Würd dir a was anbieten, Burli, aber der Trester is nix fir Kinda.«
Ich war froh, nicht ablehnen zu müssen, denn einerseits wollte ich einem Typen wie Hausser gegenüber nicht unhöflich sein, andererseits auch um keinen Preis den Schnaps schlucken müssen. Als er die Flasche entkorkt hatte, war ihr ein penetranter lösungsmittelartiger Geruch entströmt, der mir die Nackenhaare aufgestellt hatte.
»Wie bist denn überhaupt einakumman? Hab di gar net läuten ghert.«
»Ich war schon im Haus, als Sie gekommen sind.«
»Ahh«, er lächelte unsympathisch, »du warst bei der Klanen von gegenüber. Wenn’st zu der sagst: ›Nimm Platz‹, liegt’s scho am Rucken und hot d’Fiaß am Plafond. Schieb die Pornoheftln auf’d Seiten und setz di nieder.«
Ich tat, wie mir geheißen und entdeckte dabei, dass Hausser einen vielseitigen Geschmack besaß. Alles war vertreten, Schwangere, Fette, Dünne, alle Hautfarben und Altersgruppen, Hauptsache weiblich und nackt.
Bessie war unterdessen in den ›Weeping Willow Blues‹ eingestiegen. Der Song fließt langsam und träge, wie ein Südstaatenfluss. Die kommt ohne Schlagzeug aus und in Bessies Gesang sind all die Freuden und Ängste einer sterblichen Seele verankert, so wie sich die Landschaft, durch die ein Fluss fließt, in seiner Oberfläche spiegelt.
»Also, Burli, warum bist du bei mir?«
»Woher kennen Sie Korkarian?«
»Warum kennt ein armer Krüppel einen Kredithai?«
»Haben Sie ihm auch Ihre Seele verkauft?«
Hausser starrte mich an.
»Bist narrisch? Mit solchen Sachen macht ma kan Spaß. Die Seele ist alles, was du bist, und das Einzige, das wirklich nur dir selbst gehört. Eine große Sache. Damit handelt man nicht.« Hausser sagte das mit einer einfachen Bestimmtheit, die mich sprachlos werden ließ. Er war nun ganz ernst und hatte die Umgangssprache abgelegt wie eine Maske.
»Aber du hast ›auch‹ gesagt, wer hat denn seine Seele verkauft?«
»Buehlin.«
»Woher hat denn der davon gewusst?«
»Neumann hat’s ihm gesagt.«
»Alle bösen und gedankenlosen Taten deines Lebens kommen am Ende zu dir selbst zurück.«
Sprachs und versank in Schweigen. Wir saßen still am Tisch, der Blues röhrte dunkel und bedrohlich aus den Plastikboxen, während draußen die Sonne schien und Kinder über die Grünflächen jagten. Das schien eine Million Meilen weg zu sein.
»Ich war damals auf der Suche nach einem Kredit, die Banken wollten mir keinen geben, da bin ich auf Korkarian gestoßen und ich fand die Bedingungen so amüsant. Achtlos hab ich das allen Bekannten erzählt, weil ich es für einen guten Witz hielt. Achtlos war ich.« Er machte eine kleine Pause. »Weißt du, was Naglfar ist?«, fuhr er fort.
»Ja, aus der germanischen Mythologie. Das Schiff, das die Riesen bauen, um zum Ragnarök, dem Weltuntergang, nach Asgard zu gelangen.«
»Und du weißt auch, aus was sie es bauen?«
»Aus Haar, Finger- und Zehennägeln …«
»… die achtlose Verwandte den Toten nicht abgeschnitten haben«, vollendete Hausser den Satz. »Ich halte das für ein sehr schönes Bild, alles geht in die Brüche,
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