Seelenschacher
Stelle mehr Angst davor, dass jemand der Presse was steckt.«
»Das wär gar nicht gut. Haben die keinen Respekt vor der Religion?« Erich kennt jede Silbe von »de veritate« beim Vornamen, aber in der realen Welt hapert es ab und zu ein bisschen.
»Manche schon, doch die sind dann orthodox oder muslimisch orientiert. Den anderen, und die sind die meisten, ist es einfach scheißegal. Außerdem, und das ist auch wichtig, je weniger Leute von der Sache wissen, umso mehr kann ich herausbekommen. Wenn jeder seine Finger drin hat, wirds enorm schwierig.«
»Ja, ja, ich verstehe. Per noctem ad lucem.« Er grinste mich mit Verschwörermiene an und nahm einen Schluck Wein. »Du musst auch mich verstehen, die hohen Herren werden nervös. Die sind gar nicht begeistert davon, dass ich dich engagiert habe. Die meisten wollen direkt zur Polizei und an die Öffentlichkeit gehen.«
»Das wär gar nicht gut. Man würde euch auslachen.«
»Wem sagst du das. Noch hat der Kardinal alle im Griff. Aber es gibt da Spinner, sage ich dir …« Erich verstummte und murmelte eine kleine Buße.
»Ich kanns mir denken. Also hör zu.«
Ich erzählte Erich alles haargenau so, wie es sich abgespielt hatte. Nur die Fakten, keine Eindrücke und Schlussfolgerungen. Erich machte sich Notizen in seinen schwarzen Moleskine-Kalender. Erich schrieb mit blauer Tinte, gestochen scharf, beherrscht und klein, immer in Fall und Linie korrekt. Als ich fertig war, hatte ich nur zwei Dinge ausgelassen. Buehlins Bastelei mit der Hohlwelttheorie und die Journalistin aus Abessinien mit dem Waldviertler Namen. Wieder klingelte etwas, aber ich kam einfach nicht drauf. Ich beschloss meine Darstellung mit einem Rat: »Erich, wenn es nicht unbedingt sein muss, dann lass die Namen der Personen raus.«
»Warum?«
»Weil wir sonst anderen die Möglichkeit zum Handeln geben, die werden das auch tun, und wir beide müssen darunter leiden. So kontrollieren wir den Informationsfluss. Wissen ist Macht.«
Erich rümpfte die Nase. Was ich sagte, erschien ihm einleuchtend, allerdings ist er kein Freund von Bacon. Viel zu sehr Alchimist gewesen, der gute Lord. Nachdem ich geendigt hatte, nahm Erich einen Schluck Wein und begann seine Gedanken auszubreiten.
»Du hast also deine Seele eingesetzt. Das gefällt mir nicht, und das wird den hohen Herren auch nicht recht sein«, begann Erich nach einer kleinen Nachdenkpause.
»Ging nicht anders. Sieh es einfach als Zeichen meiner Hingabe an Fall und Auftraggeber.«
»Du gehst da sehr leichtfertig und, wenn ich so sagen darf, achtlos mit deinem Geschenk um.« Ich winkte ab.
»Außerdem«, fuhr Erich fort, »hast du ein bisschen geschwindelt.« Er legte die Stirn in Falten, was sich bei seinem Billardkugelkopf doch ein wenig wunderlich ausnahm. »Dass du die Adresse von Buehlin vom Computerbildschirm gelesen haben willst, nehme ich dir nicht ab. So wie du Korkarian beschrieben hast, passt das nicht zusammen.« Erich hatte seine Logik an Aristoteles geschärft. Somit war ihm mit kleinen Schwindeleien nicht beizukommen. Nur gut, dass der alte Peripatetiker nicht von Gangstern und Polizisten gelesen wird.
Ohne auch nur einen Blick in sein Notizbuch zu werfen, redete er weiter.
»Auch das mit Buehlin ist ein bisschen schief. Da hast du die Wahrheit gesagt, aber nicht alles. Ich kann förmlich spüren, dass noch was fehlt. Der Mann scheint mir seine Seele nicht nur an Korkarian verkauft zu haben, der treibt noch was anderes.« Erich nahm noch einen kleinen Schluck vom Wein und wartete. Als ich keine Anstalten machte, etwas zu erwidern, nickte Erich, was die Doppelkinne in Aufruhr versetzte, und fuhr fort.
»Wenn du’s mir nicht sagen willst, gut. Meine Herren werden das wahrscheinlich nicht bemerken. Viel zu aufgeregt. Und ich werde dich nicht fragen. Noch nicht. Zwei Dinge allerdings bereiten mir Sorgen. Dass Korkarian Jude ist, zum einen.«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht. In den nächsten Tagen werden wir mehr wissen. Morgen ist der Vereinsabend des KSV, da werd ich Mäuschen spielen, wenn die Leute vor und nach dem Schach herumsitzen und plaudern.«
»Meinst du nicht, dass das auffällt?«
»Ach wo, das ist ein normales Wettcafé, da sitzen jede Menge Leute rum. Ich werde ein gutes Buch lesen und lauschen.«
»Was aber, wenn Korkarian Wind kriegt und dich erkennt?«
»Macht auch nicht viel. So oder so wird da was rauszufinden sein, wenn nicht von ihm, dann von seinen Freunden. Wenn der Armenier überhaupt anwesend
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