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Seelenschacher

Seelenschacher

Titel: Seelenschacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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immer gesagt, er wusste nicht, wie recht er hatte. Der Säufer hatte schon drei Wachttürme erstanden.
    In meinen karierten Shorts, mit einem fleckigen T-Shirt und barfuß fiel ich gar nicht so auf wie befürchtet. Ich organisierte mir zwei doppelte Espressi und war schon wieder auf dem Weg in die Uni. Der schmutzige Steinboden war eiskalt, überhaupt fror ich am ganzen Körper. Die Hitze des Tages würde erst noch kommen.
    Oben im Institut, ich hatte mir beim Türaufsperren einen halben Becher Espresso über meine Shorts geleert, ließ ich mir Wasser über den Kopf rinnen, setzte Teewasser auf und versuchte krampfhaft, wach zu werden. Als es an der Institutstür klopfte, zog ich mir schnell was an und ließ die Exekutive ein.
    Moratti war ganz der harte Cop. Schwarze Lederjacke, dünnes T-Shirt, Sonnenbrille, schlank und muskulös. Er hatte nicht die aufgeblasenen Muskeln eines Bodybuilders, sondern die langen, geschmeidigen Muskeln eines Mannes, der Kampfsport betreibt. Er war vielleicht nicht ganz so hart, wie er dachte, aber hart genug, für mich jedenfalls. Seine schwarzen Haare waren leicht zerzaust, die Stirn gefaltet. Mit Adlernase und vollen Lippen. Der Dreitagebart konnte die scharfen Falten um den Mund nicht verdecken. Er war ein Bild von einem Mann. So in etwa würde ich mir Leonidas vorstellen. Oder Hagen von Tronje. Er war um die 40, und die Finger seiner rechten Hand, mit der er die Marke hochhielt, leuchteten förmlich nikotingelb.
    Der zweite Kiberer war eine Sie. Wesentlich jünger, Mitte 30 schätzte ich, mit eng sitzenden Jeans und einem Top, das einen kleinen Streifen Fleisch zeigte. Das dunkelblonde Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst, wobei ihr eine vorwitzige Strähne ins Gesicht fiel. Honigblond, das war das Wort. Kein Zweifel, dass sie der Boss war. Ein Blick in ihre meergrauen Augen hatte mir das deutlich gemacht. Die abgeschmackte Assoziation mit einer Stahlklinge drängte sich mir auf. Sie trug ihre Schönheit so nachlässig, dass es fast wehtat.
    »Tee?«, fragte ich, als wir im Büro saßen.
    Moratti schüttelte den Kopf. Wahrscheinlich putzte er sich die Zähne mit Wodka. Sie nickte. Ich schenkte ihr eine Schale ein. Sie nahm einen Schluck, das war nicht das, was sie unter Tee verstand, und stellte die Tasse auf den Tisch. Ich schluckte eine volle und schenkte mir nach. Oh Sencha, möge es dein Wille sein, dass wir leben werden und nicht sterben. Oh Lob liebender Herr der Pflanzen du, zitierte ich die Rigveda. Die alten Inder hatten zwar von Soma gesungen, doch das war mir jetzt egal, ich brauchte Hilfe, woher auch immer sie kommen mochte, und Soma hatte ich keins zur Hand.
    »Kennen Sie eine Marianne Schauberger?«, fragte mich Moratti barsch.
    »Ja.«
    »Wann haben Sie sie zuletzt gesehen?«
    »Vorgestern Abend, wir haben gemeinsam gegessen.« Ich antwortete beide Male ohne zu zögern, die beiden waren gut und kannten die Antworten sicher schon. Das Ganze ist ein Spiel, bei dem der Verhörte nur gewinnen kann, wenn er blitzschnell erkennt, wann die Polizisten eine Frage stellen, deren Antwort sie nicht kennen. Diesen Zeitpunkt zu erkennen und dann eine gute Lüge parat zu haben, das ist die ganze Kunst. Wenn möglich, sollte man die Lüge schon ein paar Antworten zuvor angedeutet haben, das wirkt glaubwürdiger.
    »Wo?«
    »Oben in Ottakring, in einer Pizzeria.«
    »Wer hat gezahlt?«
    »Marianne.«
    »Sie haben sich nicht an unsere Anweisungen gehalten«, meinte die Stahlklinge und deutete auf den Becher. Die Frau hatte was drauf, bei der ersten unerwarteten Antwort lenkte sie ab, um Zeit zu gewinnen, über die Sache nachzudenken.
    »Ohne Kaffee bin ich nicht verhörtauglich.«
    »Sie haben sich unseren Anweisungen widersetzt. Das könnte man als Fluchtversuch auffassen.«
    »Aber ich sitze doch wieder hier.«
    »Nur weil der Flüchtling wieder zurückkommt, heißt das nicht, dass er nicht geflohen ist.« Einen Moment unterbrach sie ihre Rede. Gerade für einen Lidschlag, um sie dann fortzusetzen. Sie sprach knapp, fließend, präzise, so musste Cäsar gedacht haben.
    »Es bedeutet nur, dass er vom Erfolg nicht überzeugt war. Das ist kein Pluspunkt für Sie.«
    »Wie auch immer«, fuhr Moratti fort, »wie lange kennen Sie Frau Schauberger schon?«
    »So etwa eineinhalb Jahre.« Ich pokerte. Was Erich und ich nun gar nicht gebrauchen konnten, war Polizei, die hinter Korkarian herschnüffelte.
    Ein leichtes Zucken in seinen Augen, Moratti hatte inzwischen die Brille

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