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Seelenschacher

Seelenschacher

Titel: Seelenschacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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Tür zu.«
    »So einfach?«
    »Sicher.«
    Ich legte auf und tat wie geheißen. Drinnen war es dunkel. Die Steinmuster auf dem Boden glänzten dort, wo von oben ein wenig Licht hereinfiel. Insgesamt maß das Treppenhaus keine fünf mal fünf Meter, und eine Wendeltreppe wand sich hinauf, von wo auch der Lichtstrahl herkam. Ich folgte der Treppe. Meine Sohlen klackten auf dem nackten Stein und der Widerhall wurde von den Wänden zurückgeworfen. Ansonsten blieb es still. Ohne Absatz führte die Treppe hinauf, keine Gänge und keine Türen zweigten ab. Bis sie oben, unter einer kleinen Glaskuppel, an einer weiteren Türe endete. Das war die Endstation. Die Tür schien ein Zwilling von der unten zu sein. Diesmal klopfte ich nicht, sondern versuchte einfach zu öffnen. Doch die Tür war versperrt. Nach einem schnellen Seitenblick fiel mir ein Klingelzug ins Auge, an dem ich dann auch zog. Die Türe öffnete sich.
    Vor mir stand eine junge Frau im Habit, fast noch ein Mädchen. Weiche Backen und große Augen, die Haare unter dem Stoff versteckt. Sie blickte mich ernst an und trat dann wortlos zur Seite. Also durfte ich rein. Erich kam schon mit großen Schritten auf mich zu. Nachdem er mich am Arm genommen hatte, flüsterte er mir hektisch zu.
    »Komm schon, du bist spät dran. Sei höflich. Sprich nur, wenn du gefragt wirst. Keine Scherze.« Mit diesen Worten hatte er mich einen Gang entlanggeschoben, der mit einem roten Läufer belegt war. Im Abstand von jeweils ein paar Schritten standen Topfpflanzen an der Wand, über denen die Porträts gewichtiger geistlicher Würdenträger hingen. Viele waren im Laufe der Jahrhunderte nachgedunkelt, und die Ältesten waren so ungeschickt angefertigt, dass der beabsichtigte gütige Ausdruck der Patriarchen zu einer toten Maske zynischer Kälte erstarrt war. Wieder standen wir vor einer Tür, Erich klopfte und wir traten ein.
    Braunes Holz, ein dicker Teppich und ein schwerer Schreibtisch. Vor dem Schreibtisch, mitten im Raum, ein einsamer Stuhl. Darauf nahm ich Platz. Der Kardinal saß hinter dem Schreibtisch. Erich stand neben ihm an der Wand. Sonst war niemand da. Durch den Vorhang fiel ein langer Sonnenfinger tief in den Raum, der ansonsten dunkel blieb.
    »Halt dich gerade!«, hatte mir Erich noch zugeflüstert, als er mich in den Stuhl gedrückt hatte. Nur den Zusatz »mein Sohn« hatte er gerade noch weggelassen.
    Der Kardinal saß mit gefalteten Händen und strengem Ausdruck hinter dem Schreibtisch.
    »Sie sind Herr Linder.«
    »Ja.«
    »Gut. Schildern Sie mir Herrn Korkarian.«
    Das tat ich dann auch.
    »Man hat mir mitgeteilt, dass Sie nicht bereit sind, die Untersuchungen zu dem Abschluss zu bringen, den wir für sie vorgesehen haben. Erklären Sie sich bitte.« Der Kardinal sprach in der glatten Weise, die noch eine Ahnung vom Sudetenland bewahrt hatte, obwohl eine Jugend in Vorarlberg das Ihre dazu beigetragen hatte, allzu deutliche Spuren davon auszumerzen. Die Freundlichkeit, die sonst seinen Ton in der Öffentlichkeit dominierte, war überhaupt nicht bemerkbar.
    Ich erklärte mich in den Worten, in denen ich mich auch Erich gegenüber ausgedrückt hatte, ein wenig besser formuliert vielleicht.
    Gutbrunn nickte, aber nicht freundlich.
    »Man hat Sie mir empfohlen. Ihre Weigerung fällt daher nicht nur auf Sie selbst zurück, sondern auch auf denjenigen, der Ihren Namen ins Spiel gebracht hat.« Pause. Ich schwieg.
    »Außerdem sollte Ihnen klar vor Augen stehen, dass es hier nicht nur um Ihre Partikularinteressen geht. Wir alle stehen vor einer schwierigen Aufgabe.« Der Kardinal ließ wieder eine Pause entstehen. Ich schwieg eisern. Schließlich hatte Erich mir aufgetragen, nur zu sprechen, wenn ich direkt gefragt wurde.
    »Außerdem vergisst die heilige Mutter Kirche nicht. Im Guten wie im Bösen. Ein kleiner Lektor kann das bis zum Ende seines Lebens bleiben oder Karriere machen. Unser Arm ist lang. Bis dahin interessiert es Sie vielleicht zu wissen, dass ich in meiner Eigenschaft als Ordinarius für den byzantinischen Ritus darüber nachdenke, Editionen und Übersetzungen der klassischen Texte besorgen zu lassen. Die Kirchenväter in Konstantinopel waren große Schriftsteller. Ein Gelehrter kann viele Jahre von solcher Arbeit leben, wenn man gar nicht an den Ruhm denken will, der auf ewig mit einem solchen Projekt verbunden ist. Schließlich sind viele dieser Texte bis heute unübersetzt geblieben.«
    Wieder verstummte er. Das war ein großartiges Angebot und ein

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