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Seelenschacher

Seelenschacher

Titel: Seelenschacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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Beispiel dafür, wie leicht sich manche Dinge doch durch Protektion erledigen lassen. Kleine Hürden, wie die Tatsache, dass ich gar kein Byzantinist war, spielten plötzlich keine Rolle mehr. Ich gewann eine Vorstellung davon, wie jemand mit Hauptschulabschluss zum Generaldirektor der Pensionsversicherungsanstalt werden kann. Aber der Kardinal unterbrach meinen Gedankenfluss.
    »An manche dieser Texte hat noch niemand seit dem Fall von Byzanz Hand angelegt.« Wieder eine Pause.
    »Wir wollen, dass Sie in sich gehen und darüber nachdenken, was nicht nur für Sie selbst, sondern auch für Ihre Mitmenschen Gutes entstehen kann, wenn Sie Ihrer Verantwortung der Kirche gegenüber gerecht werden. Seien Sie sich auch sicher, dass viel Böses entsteht, wenn Sie säumig bleiben. Sie können jetzt gehen.« Er nickte Erich zu und vertiefte sich in die Papiere auf seinem Schreibtisch.
    Erich nahm mich wieder an der Schulter und wir verließen den Raum.
    Erich legte einen Finger auf die Lippen. So gingen wir schweigend den Gang entlang. Die junge Nonne ließ uns hinaus, und erst, als die Tür ins Schloss gefallen war, konnten wir sprechen.
    »War das eben eine Drohung, oder hab ich mich da getäuscht?«
    Erich schüttelte den Kopf.
    »Warum nehmt Ihr euch nicht einfach einen anderen. Einbrecher gibt es viele.«
    »Auch ein kleiner Stein zieht mächtig weite Kreise. Jeder Mitwisser ist einer zu viel. Du hast bis Samstag Bedenkzeit.« Mit diesen Worten stand ich wieder allein in der Ballgasse. Die Audienz war beendet. Die Tür hatte sich hinter mir geschlossen, doch nun ließ sie sich nicht mehr öffnen.

VI
    Nun auf zu Shahin und seinen durchgeknallten Verschwörungstheoretikern. Irgendwie hatte ich überhaupt keine Lust. Während die Straßenzüge Wiens am Busfenster vorbeihuschten, ging mir das Gespräch mit dem Kardinal nicht mehr aus dem Kopf. Viel Feind, viel Ehr, heißt es für gewöhnlich. – Nicht dass ich das unterschreiben könnte. Feinde wie Sand am Meer und Blätter im Frühling, aber Ehre? Nun war ich auf jeden Fall dabei, es mir mit der Kirche zu verscherzen. In einem Land wie Österreich, in dem es tausend wichtige Menschen gibt, von denen 985 in Wien leben und 982 bei der allein selig machenden Kirche Mitglied sind, keine guten Aussichten.
    Einbrechen. Mir graute es schon vor dem Wort. Mit Müh und Not konnte ich ein Fahrrad knacken, in meiner Jugend vielleicht auch mal einen Kaugummiautomaten. Später dann den mit den anderen Gummis. Wenn’s hart auf hart gekommen war, dann hatte ich auch meine Wohnungstüren immer ohne Schlüsseldienst geöffnet. Aber den Safe von Korkarian? Der Armenier schien mir nicht der Typ zu sein, der sich aus einem Rundbogen Karton so ein Ding selber basteln würde. Ganz sicher hatte er auch nicht bei Obi das Sonderangebot im Mai ausgenützt. Der hatte sicher einen guten. Und gute Safes sind wie die Streichquartette von Bartok, für Laien unzugänglich.
    Mittlerweile war der 42B in Dornbach angekommen. Die Czartoryskigasse schlängelte sich durch liebliche Weingärten, in denen die Früchte in der prallen Sonne reiften. Kleine und größere Villen standen dazwischen und blickten auf die Friedhöfe von Dornbach und Hernals. Weinreben und Grabsteine, eine schöne Nachbarschaft. Eine der Villen befand sich zu der Zeit im Eigentum von Dr. Massu, dem Chef von Shahin. Das schmiedeeiserne Tor war geschlossen, aber für mich gab es den Hintereingang. Eine verrostete Tür, halb verdeckt von dunkelgrünen Thujen, quietschte, als ich sie öffnete. An einem verwahrlosten Werkzeughäuschen vorbei, ging ich unter Obstbäumen zum Pool. Die Betonwanne war leer, vermoderte Blätter und ein Plastiksack bedeckten den Boden. Hier war schon jahrelang keiner mehr geschwommen. Die Fenster waren blind oder mit Gardinen verhängt, so dass das gesamte Gebäude abweisend und leer stehend wirkte. Eine verrottete Hollywoodschaukel stand neben der Tür zu Shahins Büro. Ich klopfte. Mir wurde aufgetan.
    »Hi, komm rein.«
    Büro ist eine Untertreibung, Shahins Arbeitsstätte hat die Ausmaße eines kleinen Fußballfeldes. In der Mitte des weißen Raumes steht ein weißer Schreibtisch, auf dem sich ein weißer Computer mit weißem Bildschirm befindet. Daneben steht ein weißer Drucker und ein weißes Telefon. Vor dem Schreibtisch stehen zwei weiße Stühle und an der Wand eine Couch. Allerdings ist sie mit einem weißen Tuch abgedeckt und wird nicht benutzt. Da sie vom Schreibtisch so weit entfernt steht, dass sie

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