Seelenschacher
Kana.«
»Da täuschen Sie sich. Außerhalb der Uni hab ich keinen Chef.«
»Andreas Kana. Der Sohn vom alten Kana, Leiter des Genua Instituts.«
»Sie denken, ich arbeite für ihn. Wie kommen Sie da drauf?«
»Einfach«, schnaubte Moratti, der nun wieder in sein normales Rollenbild zurückfiel. »Schauberger recherchiert in einer heiklen Sache gegen Kana, Sie treten auf, Schauberger wird ermordet, es gibt einen weiteren Todesfall. Wir schauen uns Ihre Akte an, danke übrigens für den Hinweis, und alles fügt sich schön zusammen.«
»Sie denken doch nicht, dass ich Marianne umgebracht habe?«
»Sicher nicht. Das waren die Leibwächter von Kana. Einer von ihnen hat eine Vorliebe für Messer. Doch Sie haben da mitgespielt.«
»Unser Angebot: Wir halten Sie raus und Sie liefern uns die Beweise. Andernfalls schlüpft uns Kana durchs Netz, aber wir haben Sie. Man kann jeden Beweis so biegen, dass er Sie belastet.«
»Nur der Neugier halber: Warum sammeln Sie nicht selbst die Beweise und kassieren dann Kana und mich?«
»Schauberger hat zwei Jahre recherchiert, die Zeit haben wir nicht mehr. Kana ist kurz davor abzuhauen.«
»Warum nehmen Sie Kana dann nicht einfach in U-Haft, bis Sie die Beweise auf dem Tisch liegen haben?«
»Sind Sie so dumm oder tun Sie nur so? Wir sind in Österreich. Kana hat Protektion, kein Staatsanwalt verbrennt sich da die Finger, wenn wir nichts Definitives vorlegen können. Sein ganzes Geschäft beruht nur darauf, dass sein Vater Verbindungen hatte. Die haben ihm die ganze AMS-Schuldverschreibungssache erst ermöglicht. Wenn Kana hops geht, haben wir einen Skandal, der die Hälfte des ÖVP Parlamentsklubs betrifft. Wir tanzen da auf ganz dünnem Eis.«
»Aber offensichtlich sehr gut.« Ein bisschen Lob kann nicht schaden. »Weiß der Staatsanwalt überhaupt, in welche Richtung Sie beide ermitteln?«
Moratti und Molnar grinsten.
»Der glaubt, wir wären hinter ein paar Bastlern her, die Nazi-Maschinen nachbauen.«
Nun lachten wir alle drei.
»Und auch da hat er Angst, dass wir der FPÖ auf die Zehen steigen«, meinte Molnar.
»So ein Weichei«, knurrte Moratti.
»Da kann er auch nichts dafür. Seitdem die Staatsanwälte weisungsgebunden sind, bestimmt die Justizministerin, wo ermittelt wird. Da kann es sich keiner leisten, bei den Politikern anzuecken«, erläuterte Molnar.
»Also welche Art von Beweis brauchen Sie?«, fragte ich .
»Schauberger hatte ein Notizbuch, das wäre das Beste. Wir nehmen jedoch alles, was Ihnen so in die Hände fällt.«
»Warum sind Sie so sicher, dass in dem Notizbuch Verwertbares drinsteht?«
»Weil Schauberger einen Tag vor dem Mord bei uns war. Sie hat uns ein paar Sachen gezeigt. Einen Tag länger und sie hätte eine Kopie hinterlegt, für den Fall ihres Ablebens. Das ist sich leider nicht mehr ausgegangen.«
»Und was ist mit Buehlin?«
»Das war nur Zufall. Die Psychologen meinen ganz klar, dass das im Zusammenhang mit seiner Sozialpsychose steht. Tragisch, aber für den Fall irrelevant.«
Wir unterhielten uns noch ein Weilchen recht entspannt, dann brachen die beiden auf. An der Tür zum Institut verabschiedeten wir uns, Molnar ging als Erste, sodass mir Moratti ungehört zuflüstern konnte: »Wenn du Scheiße baust, erschieß ich dich auf der Flucht.«
Nachdem ich die Tür abgesperrt hatte, ging ich zurück ins Büro. Dort zog ich mir ein T-Shirt an und hängte meine Hose über eine Lehne. Mittlerweile war es dunkel geworden, ich ging in die Bibliothek, hörte Bach und las ein wenig. Hauptsächlich doch zermarterte ich mir das Hirn, bis ich klarer sah. Dann schlief ich ein, den Kopf auf einem dicken Folianten und mit einem Glücksgefühl im Bauch.
III
Ein schüchterner Finger Sonnenschein stahl sich durch die heruntergelassenen Jalousien, genau auf mein Auge. Nach einem kurzen Blinzeln drehte ich mich um und versuchte, weiterzuschlafen. Aber das konnte ich mir abschminken. Die Wirbelsäule war wieder beleidigt, zuerst aus dem Auto fallen und dann auf dem Boden schlafen, mit einem Buch als Kopfstütze. Das war ihr zu viel, sie protestierte heftig. Alles fühlte sich steif an und das Atmen wollte nicht so leicht gehen wie sonst. Ich drehte mich auf den Rücken und streckte mich aus. Überall um mich herum standen die Regale im Halbdunkel, deckenhoch und irgendwie mysteriös. Ein paar Lichtstrahlen drangen in den Raum und Staub tanzte in der erleuchteten Luft. Alles still, nicht mal eine Fliege summte. Keine Fliege, wunderbar.
Weitere Kostenlose Bücher