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Seelenschacher

Seelenschacher

Titel: Seelenschacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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mischte sich der Zeitung lesende Chef ein: »Wie der Bsoffene am Grüst beim Kunsthistorischen« – er meinte das weltbekannte Kunsthistorische Museum am Ring, – »aufiklettert is, hat er einfach des Fenster eingschlagn …«
    »…nix da, war offen, weil so heiß war damals, …« korrigierte die Bedienung.
    »und die Saliera mitgnummen. Die Alarmanlag war abgeschaltet, weil sie jede Nacht dreimal losgangen is.«
    »Genau«, nickte Kurti, »die Technik is a Hund. Bei de Geräte wird investiert, aber beim Arbeitsaufwand gspart.«
    »Also, du meinst, man könnte …«
    »… in die Schatzkammer einsteign und die Kaiserkrone fladern. Sicher, ka Problem. Nua: Des Graffl is nix wert. A bissl a Goldblech und schlechte Stana. Verklopfn kannst as net, wal des niemand nimmt. Und alle san hinter dir her. Viel schlimma als die Kibera san dabei aber die Versicherungsgesellschaften. Mit de is as a ka Gspaß.«
    Kurti schien da schon seine Erfahrungen gemacht zu haben, also gab ich den Traum auf. Für einen Augenblick hatte ich mich schon mit der Kaiserkrone des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation auf dem Kopf gesehen, wie ich in meinem Lehnstuhl saß und Musik hörte. Schade eigentlich.
    »Wie gehen wir nun weiter vor?«
    »Hängt alles von dir ab. Probiern kemmas, Garantie gibt’s kane. Apropos, hamma scho an Fahrer?«
    Ich nickte nur.
    »Hängt alles davon ab, wie wichtig des is. Geht’s um was, mach mas, geht’s um nix, lass mas bleibn, dann is des Risiko z’groß.«
    »Dann machen wirs.«
    »Fein. Z Tod gfirchtet is a gsturbn.«
    »Ist mir recht.«
    »I triff no wen, der was mir a bissl an Zund gebn kann. Waaßt eh, Wissen ist Macht. Danach schau i ma die Hittn no a bissl an. I steh dann so umma 11 am Kreisverkehr.«
    Ich nahm mein Schnapsglas und trank aus. Der Kaffee war schon den Weg alles Irdischen gegangen. Als ich meine Geldtasche herausholen wollte, klopfte der Chef auf den Tresen, ohne den Blick aus der Zeitung zu nehmen. Die Rechnung ging aufs Haus.

IV
    Der Nachmittag zog in einer verschwommenen Zusammenhangslosigkeit an mir vorüber. Die heißen Straßen, meine Hausbesorgerin mit meiner Wäsche, ich in meinem Büro, auf und ab gehend. Irgendwo ein Abendessen, von dem mir gar nichts in Erinnerung blieb. Gleichermaßen schien die Zeit zu rasen und stillzustehen. Augenblicke dehnten sich ereignislos und Stunden schmolzen dahin. Wieder und wieder hämmerten mir dieselben Gedanken im Hirn herum, wie Kesselflicker im Akkord. Ich sehnte mich danach, ins Auto zu steigen und loszufahren, die Sache hinter mich zu bringen. Gleichzeitig wollte ich nichts weniger als das. Zum ersten Mal in meinem Leben beneidete ich die Spießer, die sich um gespitzte Bleistifte und Bausparverträge sorgen. Bis mir klar wurde, dass ich gerade diesen Gedanken schon ein Dutzend Mal durchgekaut hatte. Immer in ähnlichen Situationen. Originalität ist nicht so mein Ding, scheint’s.
    Als dann die Schatten länger wurden, ging ich hinüber in den Roosevelt-Park, setzte mich auf die Treppen der Votivkirche und schaute den Leuten auf dem Rasen zu. Das half nichts. Meine Erregung nahm zu, und um ein Haar wäre ich in die Votiv-Kirche hineingegangen und hätte aus einem Impuls heraus eine Kerze angezündet. Bei anderen Leuten finde ich diese Art von Religiosität surreal, an mir selbst hasse ich sie. Hätte mich jemand gefragt, ich hätte auf sofortige Notschlachtung des Herrn Arno Linder plädiert. Die Religion als Krückstock für den, der nicht alleine stehen kann. So oder ähnlich hatte Nietzsche einmal formuliert. Meine Selbstverachtung war grenzenlos. Kurioserweise beruhigte mich das, und als es nach ein bisschen Grübeln gegen zehn ging, rief ich Greg an.
    Beim ersten Läuten hob er ab. Offensichtlich auch schon auf 180.
    »Ja.«
    »Alles bereit?«
    »Sicher.«
    »Komm mich am Roosevelt-Platz holen.«
    »Warst du beten?«
    »Sicher, hab auch für dich einen Rosenkranz eingestreut.«
    »Ich bin Anglikaner.«
    »Betet ihr keine Rosenkränze?«
    »Keine Ahnung, darüber hab ich nie nachgedacht.«
    »Auch egal. Wie lange brauchst du?«
    »20 Minuten.«
    »Gut, aber immer sorgsam fahren.«
    »Ja, ja, werd mich schon an die Straßenverkehrsordnung halten.« Eine Wagentür schlug zu und die Verbindung war getrennt.
    Greg kam in einem kleinen Auto daher. Irgendwas Asiatisches, KIA oder so, hielt an einer roten Ampel und ich stieg ein. Neuwagengeruch und Tabakqualm, der Aschenbecher quoll über, aber nicht die Spur von einer Fahne.

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