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Seelenschacher

Seelenschacher

Titel: Seelenschacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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Straße ab, folgten einem Forstweg in den Nadelwald, und nach ein paar Hundert Metern bogen wir rechts ab, den Hang hinunter, dabei folgten wir einem kleinen Pfad. Der Boden war weich und federnd, im Vergleich zum Beton der Stadtstraßen jedenfalls. Unter den Bäumen war es recht dunkel, wir stolperten beide mehrmals und näherten uns dann der kleinen Siedlung. Nur das Zirpen der Grillen war zu hören. Sonst nichts, nicht einmal ein Käuzchen. Die Häuser unter uns wirkten still und leer.
    »So, jetz rauch i amal ane.« Kurt setzte sich unter einen der hohen Bäume und gab sich Feuer. Er saß so, dass ihn der dicke Stamm nach unten hin deckte. Niemand würde von dort aus sehen können, dass heroben jemand rauchte. Jedes Mal, wenn er zog, tauchte sein Gesicht mit der runden Nase und den Tränensäcken, die sein Doppelkinn nachzuäffen schienen, im roten Lichtschein der Glut auf. Dann verschwand es wieder, um beim nächsten Zug wieder aufzutauchen. Wenn er nicht die Zigarette im Mund hatte, sah ich ihn überhaupt nicht, obwohl wir nur wenige Schritte auseinander saßen.
    »Samstag is a guter Termin. Entweder sans bsoffen und schlafen oder sie san net z’Haus, weils auf Lepschi gengan.«
    »Welches ist das Haus von Kana?«, fragte ich, hinunterblickend. Ganz hinten war der Lichtkegel Wiens über den Hügeln zu sehen.
    Kurti ignorierte meine Frage einfach. Da war was im Busch.
    »Ist dir die Sach des Risiko wert?«, fragte er, sich eine neue Zigarette herausschüttelnd. Er rauchte sie mit der letzten an. Den Stummel ließ er in der hinteren Hosentasche verschwinden.
    »Sonst wären wir nicht da.«
    »Guat.«
    »Also, welches ist das Haus vom Kana?«
    Wieder keine Antwort.
    »Was willst du da drin finden?« Mit Hilfe der Glut konnte ich ihm ins Gesicht sehen.
    »Geld.« Ich hatte einen Moment zu lange gezögert. Kurti glaubte mir kein Wort.
    »Fahr ab. Glaub i dir net. Du bist hinter ganz was anderem her.«
    »Willst du mir jetzt Druck machen, dass ich mich nicht alleine hineintrau und du auch was abkassierst?«
    »Irgendwie schon. Aber eigentlich mach i mir mehr Sorgen. Du bist aner von die Gfährlichen.«
    »Wie meinen?«
    »A normaler Mensch is mit a paar Tausender zfrieden. Wenn i mit so an an Bruch mach, is alles leiwand.«
    Er nahm einen tiefen Zug. Erst nachher sprach er weiter.
    »Aber bei dir? Da kanns passieren, dass ma an Atomsprengkopf dawischen, oder die Zähnt vom ersten Kaiser von China. Verstehst mi?«
    »Ungefähr.«
    »Und da will i dann net dabei sein, weil des is wirklich gfährlich.«
    »Sicher.«
    »Hinter was bist du also her, Burli? Und net schwindeln diesmal.«
    »Nur Geld.« Diesmal hatte ich meine Unschuldsmiene aufgesetzt, mit der ich meiner Lehrerin immer weisgemacht hatte, dass die Hausaufgaben dem Krokodil zum Opfer gefallen waren.
    »Geld hat der Kana kans. I kenn Leit, die kennen Leit, die den Kana kennen. Der Kana ist pleite, in zwa Wochen pfändens ihm die Hittn unterm Oarsch weg. Geld is da kans. Worum geht’s?«
    »Der Kana hat was, das wem ghört. Für den arbeit ich.«
    »Was?«
    »Papiere über gemeinsame Geschäfte, die will mein Auftraggeber zurück. Die sind nicht wirklich was wert, er ist nur ein bisserl hypersensibel.«
    »Was kriegst dafür?«
    »Er zahlt mir die Miete bis Silvester.«
    Kurti nickte.
    »Gemma«, meinte er und dämpfte den Tschick aus. Nachdem er den Stummel wieder hinten in die Hosentasche gesteckt hatte, gingen wir leise den steilen Abhang hinunter, durch nette Sträucher ohne Dornen. Ich blieb immer einen Schritt zurück und war zufrieden. Man muss nur so lange die Wahrheit sagen, bis einem alle die Lügen als Wahrheit abkaufen.

V
    Endlich kauerten wir im Schatten einer Thujenhecke, neben einem kleinen Gerätehäuschen. Der Rasen war frisch gemäht, es duftete nach grünem Gras und über uns schienen die Sterne. Alles war ganz still und friedlich. Eine solche Nacht sollte man mit einer schönen Frau verbringen, oder mit Bach. Es war die Zeit für Nachtigallenschlag und Zungenkuss, aber sicher nicht mit Kurti, Einbrecherkönig hin oder her.
    Bis jetzt war alles gut gegangen. Die Hunde in der Nachbarschaft hatten nicht mehr gebellt, als wenn wir Eichhörnchen gewesen wären. Es waren keine Lichter und keine Sirenen angegangen, wir hatten uns nicht plötzlich im Kegel einer Halogenlampe wiedergefunden und mit der Aufforderung konfrontiert gesehen: »Bleibts stehn, dann schiaß I.«
    Die Thujenhecke vor uns war die Grenze zu Kanas Reich dahinter.
    Kurti

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