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Seelenschacher

Seelenschacher

Titel: Seelenschacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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Ein Blick in Gregs Augen bestätigte mir, er war stocknüchtern. Schweigend saßen wir nebeneinander, warteten auf Grün und Greg trommelte mit den Daumen auf das Lenkrad. Die Fußgänger, die vor uns über die Straße gingen, sahen wir gar nicht. Da hätten Aliens dabei sein können, es wäre uns nicht aufgefallen.
    Als dann die Ampel umschaltete, fuhr Greg an. Ganz sachte, keine quietschenden Reifen oder so was. Ich war zufrieden, da hatte ich mir den Richtigen ausgesucht.
    »Wohin geht’s eigentlich?«
    »Hinauf zum Exelberg.«
    »Dort wohnt er? Bist du sicher, dass es der war?«
    »Ziemlich.«
    »Und was willst du von ihm?«
    »Er hat das Notizbuch.«
    »Das beweist nicht, dass er es war.«
    »Sicher nicht.«
    »Was soll dann das Ganze, verarscht du mich?« Er war ziemlich wütend.
    »Es stehen ein paar andere Sachen in dem Buch, die werden reichen.«
    »Aber …«
    »Lass gut sein. Das Fell des Bären und so. Zuerst einmal ist nur wichtig, dass die Sache klappt. Nachher schauen wir weiter. Jetzt darüber nachzudenken, bringt nichts, sondern lenkt nur ab. Du fährst das Auto, oben wird einer einsteigen, dann werden wir aussteigen, du fährst hinauf in den Wald, und fünf Minuten nach meiner SMS stehst du dort, wo ich dir sage, und wir steigen ein. Alles andere ist unwichtig. Fahr das Auto, so als gäbe es sonst nichts. Überhaupt nichts.«
    »Gut.«
    Wir überquerten den Gürtel, fuhren die Hernalser Hauptstraße hinauf nach Dornbach und schließlich nach Neuwaldegg. Die Häuser lichteten sich, Weinreben standen auf den Hügeln und das Grün rundum nahm zu. Auf den Straßen war wenig los, und so ging alles glatt. Schließlich hatten wir die Stadt gänzlich hinter uns gelassen und oben beim Kreisverkehr, wo Amundsen-, Exelberg- und Höhenstraße zusammenkommen, begann der Wald.
    An der Kreuzung gab ich Greg ein Zeichen und der wurde langsamer. Es war dunkel, kaum was zu sehen und keine anderen Autos weit und breit. Bloß Grillen zirpten zu den heruntergelassenen Fenstern herein und irgendwo über den Hügeln krächzte ein Vogel. Der KIA war richtig leise, ein brauchbares Auto. Plötzlich tauchte am Straßenrand ein schwarzer Schatten auf. Für gewöhnlich ist das der Teufel, der in der Nacht an Straßenkreuzungen wartet, so sagen zumindestens die alten Blues Sänger, in unserem Fall war es aber nur Kurti.
    »Seids z’fruah. Ordentlich nervös, wie’s ausschaut.« Mit diesen Worten stieg er ein. Wir kamen gar nicht dazu, etwas zu antworten, als er auch schon weitersprach.
    »A klaneres Auto habts net gfunden, mei Wampen passt net gescheit aufn Rucksitz.«
    »Für die paar Minuten geht’s schon.«
    »Bein Ruckweg sitz i vurn und du hint.«
    »Sicher, kein Problem.«
    Er schaute zu Greg.
    »Wer is der Hippie?« Alles, was Haaren über die Ohren hatte, war für Kurti ein Hippie.
    »Greg.«
    »Freut mi, i bin da Kurti.« Die beiden schüttelten sich die Hände. »Schau an, der hat ja richtige Schwielen auf die Händ, und Öl unter die Nägel.«
    »Bin Automechaniker.«
    »War i a amal. Dann war i Schlosser und dann hab i s bleibn lassn. Hackln is nix für mi.«
    Wir fuhren die Straße bergauf, in einen Laubwald hinein, der immer wieder von kleinen Wiesen unterbrochen wurde. Zu den gewöhnlichen Gerüchen einer Sommernacht gesellte sich der würzige Duft von frisch geschnittenem Heu. Schließlich, als die Straße ernstlich anzusteigen begann, sah man die ersten Häuser. Alle rechter Hand, den Hang hinaufgebaut.
    »Da kummst uns holn, wenn ma klingeln.« Kurti wies auf den tiefen Schatten unter zwei Bäumen, dort, wo die ersten Häuser begannen.
    »Jetz fahrst uns rauf, bis zu die Serpentinen.«
    Die kleine Siedlung zog an uns vorbei, mittlere und größere Einfamilienhäuser mit Hecken und weißen Wänden. Ein gewisser Wohlstand, der aber nicht in protzigen Reichtum überging, ließ sich feststellen. Oben an der ersten Serpentine nach der Siedlung verließen wir Wien und das Bundesland Niederösterreich nahm uns wohlwollend auf. In der zweiten Kurve wurde Greg wieder langsamer.
    »Oben am Exelberg, bein Sender, suchst du dir irgendwo a Platzerl im Schatten. Aber net z’nah bein Wirtshaus. Durt wartst auf uns.«
    »Viel Glück«, wünschte uns Greg.
    »Lass des bleibn, davon spricht ma net«, und Kurti schloss sanft die Hintertür. Für einen Mann seines Umfangs, der sich zuvor noch über die Dimensionen des Fahrzeugs beschwert hatte, war er bemerkenswert elegant ausgestiegen. Wir gingen von der asphaltierten

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