Seelensplitter - Unsterblich wider Willen (German Edition)
Augen, die genauso aussahen wie ihre eigenen.
Verwirrung legte sich auf Isaks Züge, sein Blick huschte zu den beiden Brüdern. „Jonathan, Tizian – was ist hier los?“ Sogar seine Stimme klang vertraut!
Melica kam sich vor wie ein Schauspieler, der mit dem falschen Kostüm und dem falschen Text auf die Bühne geschickt worden war. Das war nicht ihre Rolle, nicht ihr Leben!
„Das ist nicht echt!“, stammelte sie überfordert. Sie konnte nicht mehr, wollte nicht mehr. Ein Schluchzen entrang sich ihrer Kehle. Dann stürmte sie davon, an den Dämonen vorbei, immer weiter, durch die Tür, über den Flur, vorbei an der entgeisterten Arzthelferin, einfach weiter, bis auf den überfüllten Parkplatz. Erst dort erlaubte sie sich, langsamer zu werden. Entkräftet ließ sie sich auf den rauen Asphalt sinken, die Gedanken völlig vernebelt. Sie wollte auch gar nicht nachdenken. Sie wollte einfach nur in Ruhe gelassen werden. Von selbstverliebten Dämonen, verrückten Großvätern, erfundenen Prophezeiungen, verworrenen Gedanken und von einem untoten Onkel, der einfach nicht unter der Erde hatte bleiben können. Am besten für immer.
~*~
Wenige Minuten später zeigte sich deutlich, warum Melica und das Schicksal nie eine funktionierende Beziehung führen könnten. Das Schicksal hasste sie viel zu sehr. Das war ganz offensichtlich. Warum sonst sollte es ihren Wünschen dermaßen wenig Beachtung schenken? Das war nicht normal und begann allmählich wirklich aufzufallen.
Melica hatte den Mann schon von weitem gehört. Aufgesehen hatte sie deshalb jedoch nicht. Erst in dem Moment, in dem er sich langsam neben ihr auf den Boden gesetzt hatte, hatte sie ihn aus den Augenwinkeln erkennen können.
Isak sagte kein Wort. Ruhig blickte er nach vorn, das Gesicht entspannt, die hellen Augen nachdenklich.
Eine ungekannte Spannung begann sich in Melica auszubreiten. Sie hielt das Schweigen nicht lange aus. Es konnten höchstens Minuten vergangen sein, da brach sie auch schon die Stille: „Hallo.“
So dumm ihr Anfang auch gewesen war – Isak zeigte nicht die Spur eines Lächelns. Stattdessen nickte er leicht. „Hallo.“
Hätte Melica diese Szene in einem Film gesehen – sie hätte sich beschwert. Niemand verhielt sich so. Das hätte sie zumindest gedacht. Doch nun, wo sie neben dem Mann saß, dessen Geschichten sie seit ihrer Kindheit verfolgten…sie wüsste nicht, was sie hätte anders machen sollen. „Sie haben gesagt, du wärest tot“, murmelte sie.
„Sie haben auch nicht gelogen. Sie haben es selbst geglaubt. Außer Vater weiß niemand, dass ich noch immer lebe.“
„Aber…“ Melica brach ab. „Warum? Warum bist du hier?“
„Wo sollte ich sonst sein? Mein Vater hasst mich und wollte mich erschießen. Ich musste fliehen. Hier in Norwegen konnte ich mir ein völlig neues Leben aufbauen! Ich habe mich verändert, den alten Stefan Parker gibt es nicht mehr. Er ist wirklich erschossen worden, während ich zu jemandem Neuen, zu etwas Anderem geworden bin.“ Isak fuhr sich erschöpft durch sein wildes, braunes Haar. „Es tut mir unendlich leid, dass du es so erfahren musstest.“
Melica schüttelte leicht den Kopf. „Wie hätte ich es denn sonst erfahren sollen?“
„Am besten gar nicht. Es wäre das einfachste gewesen, wenn das Geheimnis nie ans Licht gekommen wäre. Ihr könnt es nicht riskieren, mit mir in Verbindung gebracht zu werden. Das könnte euch euer Leben kosten. Ich kann dir gar nicht sagen, wie leid mir das alles tut. Wirklich, Melica. Es tut mir leid.“
„Ich glaube dir ja, dass es dir leid tut. Auch wenn ich nicht verstehe, was du mir damit sagen willst.“ Das hatte Melica zumindest sagen wollen. Ihr war jedoch etwas dazwischengekommen.
Dieses „etwas“ knurrte laut und ließ Melica verdutzt zusammenzucken. Dieses „etwas“ war in ihrem alten Leben ihr Magen gewesen. Sie hatte nicht gewusst, dass er noch immer funktionierte.
„Du hast Hunger?“ Isaks Frage war in Wirklichkeit keine Frage. Er lächelte ihr zu, während er sie musterte. „Willst du etwas essen?“
Melica konnte nichts anderes tun als zu nicken. Sie war ehrlich verwirrt. Warum machte ihr Magen denn immer noch Geräusche? Und warum gerade jetzt? Sie war doch tot, verdammt! Was sie jedoch nicht weniger verstörte war Isaks Reaktion darauf oder besser gesagt: seine nicht vorhandene Reaktion. Er tat ja beinahe so, als wäre das vollkommen normal!
Isak richtete sich auf und reichte ihr die Hand. Wie
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