Seelensplitter - Unsterblich wider Willen (German Edition)
Missgeburt! ‚örst du mich?“
Melica biss die Zähne zusammen. Sie ging jedoch weiter, unbeirrt und doch sichtlich aggressiv.
„Läufst nach ‚ause zu deiner Mutti, du Ries’nbaby?“, höhnte der Fremde weiter. „Muss sie dich tröst’n? Arm’s, fettes Ding!“
Innerhalb weniger Sekunden war sie bei ihm und riss ihn mühelos in die Höhe. Doch als die schmutzige Kapuze des Obdachlosen zur Seite rutschte, zuckte Melica erschrocken zusammen.
Ein gefährliches Lächeln lag auf den Lippen des blonden Schnösels. „Na? Kennst du mich noch?“, fragte er höhnisch.
Melica konnte nicht mehr atmen, Angst schnürte ihr die Kehle zu. Ein leiser Schuss war zu hören, gleichzeitig breitete sich ein reißender Schmerz in ihrer Brust aus. Sie spürte etwas Heißes an ihren Lippen, ihr Kopf schien zu explodieren.
Offenbar hatte Melica es doch nicht geschafft, den Berliner vor dem Tod zu bewahren. Der Mann starb. Und Melica verlor den Kampf gegen den Schmerz und begann zu schreien.
„Melica?“ Hitze knallte gegen ihre Wange und ließ ein Brennen zurück.
Melica riss ihre Augen auf.
Isak starrte sie an, die Miene vor Sorge verzerrt. „Geht es dir gut?“
Melica nickte nur schwach. Ihre Schmerzen waren verschwunden, nur ihre Wange glühte noch ein wenig. Von ihrem Hunger fehlte jegliche Spur. Offenbar hatte die Frau Recht gehabt. Auch Melica brauchte Seelen, um zu leben. Sie schluckte verkrampft und blickte sich um. Die Krankenschwester stand mit verbissener Miene neben ihrem Bett, Isak lag fast auf ihr und Tizian musterte sie vom Fußende ihres Bettes aus. Von Jonathan war nichts zu sehen.
„Was ist passiert? Warum hast du geschrien?“, fragte Isak.
Verwirrt runzelte sie die Stirn. „Warum? Die Frau da hat mich gezwungen, eine Seele zu übernehmen! Natürlich habe ich da geschrien. Es ist nämlich nicht gerade angenehm, wenn man das Gefühl hat, dass einem die Eingeweide herausgerissen werden, ehrlich wahr.“
Isak und Tizian tauschten einen verständnislosen Blick aus. „Warum solltest du so ein Gefühl haben? Dir passiert doch nichts!“, sagte Tizian schließlich.
„Wollt ihr damit sagen, ihr spürt das nicht? Ihr…fühlt das nicht?“
„Offensichtlich nicht“, murmelte Isak leise und erhob sich von dem Bett. „Wir sehen nur für den Bruchteil einer Sekunde das Bild des Menschen, dessen Seele wir gerade übernehmen. Interessant. Die Hexe in dir sorgt anscheinend dafür, dass du die Seelenübernahme anders erlebst als wir es tun.“ Er strich sich nachdenklich über das Kinn. „Ich bin gespannt, in welchen Dingen du dich sonst noch von uns unterscheidest.“
„Das könnt ihr alles später erforschen“, mischte sich die Krankenschwester ein. „Das hier ist die Krankenstation, Jungs. Wenn ihr hier jede Sekunde raus und wieder reinrennt, bekommt Melica keine Ruhe und kann nie gesund werden.“
„Ich fühlte mich aber wieder ganz gut“, bemerkte Melica vorsichtig.
„Unsinn! Du bleibst hier, bis deine Werte wieder im Normalbereich liegen. Krank entlasse ich niemanden aus meiner Behandlung“, stellte die Frau klar und warf Isak und Tizian einen vorwurfsvollen Blick zu. „Ihr seid ja immer noch da! Habt ihr nicht gehört, was ich gesagt habe? Ihr könnt nach dem Mittagessen noch einmal nach Melica sehen.“
Tizian nickte hastig und lächelte die Frau spitzbübisch an. „Du brauchst keine Angst vor unserer Renate hier zu haben“, erklärte er Melica. „Sie tut nur so streng. In Wirklichkeit ist sie eine ganz, ganz Liebe, nicht wahr, Renate?“
Entrüstung legte sich auf Renates Gesicht. „Verschwinde, Tizian!“, befahl sie. Sie ließ Isak und Tizian jedoch gar nicht die Möglichkeit, ihrer Aufforderung nachzukommen. Stattdessen packte sie die beiden einfach am Ellenbogen und schleifte sie mühelos zur großen Flügeltür.
„Aber Renate-“ Tizians Protest erstarb, als er in Renates glühende Augen blickte. „Wir sind schon weg!“, japste er, zog die Tür auf und verschwand. Erst als sich Renate davon überzeugt hatte, dass sich auch Isak kopfschüttelnd aus dem Staub gemacht hatte, schloss sie die Tür und kehrte zu Melicas Bett zurück. „Und du schläfst jetzt!“
Perplex starrte Melica sie an. „Ich bin doch gar nicht müde.“
„Umso besser“, entgegnete Renate unbeeindruckt und griff in ihre Manteltasche. Sie zog ein kleines Fläschchen heraus, in dem eine kristallklare Flüssigkeit hin und herschwappte.
Während Melica nach dem Fläschchen griff, fragte sie
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