Seelensturm
herum, die dich beschützen. Es war mir eine Ehre, euch kennenzulernen.« Kurz deutete er eine kleine Verbeugung an, dann kam er zu mir.
»Jade, ich bin absolut beeindruckt von deiner Kampfkunst. Beschütze deine Schwester so gut du kannst. Versprich es mir«, forderte er mich auf.
Ich nickte, war unfähig etwas zu sagen, da mir bewusst wurde, wie viel davon abhing, dass Amy lebte. Er tätschelte kurz meinen Oberarm, als wolle er mich damit motivieren, mein Bestes zu geben. Dann verließ er zusammen mit Onkel Finley die Küche. Amy setzte sich wieder und führte ihr Frühstück schweigend fort. Ich stand am Türrahmen und sah Mr. Tramonti nach, wie er sich von Onkel Finley verabschiedete.
»Ich rufe an, sobald ich etwas erfahre und bis dahin schaut, dass ihr am Leben bleibt. Hörst du, Finley?«
Mr. Tramonti war fort und hatte Amys Zuversicht mitgenommen.
Vor ein paar Stunden war das alles für Amy noch wie ein großes Abenteuer gewesen, indem sie die Königin war, doch nun standen Hoffnungslosigkeit und Angst in ihrem Gesicht. Von dem rebellischen jungen Mädchen, das gerne ihren eigenen Kopf durchsetzte, war nicht viel übrig, außer ein deprimierter und nachdenklicher Haufen, der in unserer Küche saß und lange in ihre Tasse starrte.
»Was ist?«, fragte ich sie und setzte mich wieder an unseren Frühstückstisch zurück.
»Du hast selbst gehört, was er gesagt hat«, gab sie patzig zurück. Sie hatte dabei nicht aufgesehen, spielte mit ihrem Müsli.
»Amy, er hat erzählt, wie es in der Vergangenheit gelaufen ist, mehr nicht. Wir sollten jetzt nicht Trübsal blasen, sondern etwas dagegen tun.«
»Und was!«, fuhr sie mich an, »Sollen wir einfach losmarschieren und die Taluris alle töten?«
»Nein, natürlich nicht. Aber es sind doch nur zwei Taluris hier, soweit wir das wissen. Wir haben Clive, Terry, Frank und Mr. Chang. Außerdem kannst du selbst auch viel dazu beitragen, dass dir nichts passiert«, versuchte ich ihr klarzumachen.
»Und wie? Soll ich mich für den Rest meines Lebens hier in diesem Haus versteckt halten? Soll das mein Leben sein? Lieber sterbe ich, Jade. Das kann doch nicht euer Ernst sein! Bei dieser ganzen Sache hat mich niemand gefragt, ob ich überhaupt eine blöde Illustris sein will. Und das alles nur, weil einer Angst um seine Macht hat? Nein, ich wurde so geboren und kann nichts dagegen machen. … Was ist mit meinem Leben, das ich vorher geführt hatte? Was ist mit der Schule, was ist mit meinen Freunden, mit Spaß oder Freiheit? Soll das etwa alles gewesen sein?« Wütend stand sie vom Tisch auf und rannte aus der Küche.
Ich ging ihr nicht nach, denn ich konnte meine Schwester sehr gut verstehen. Sie brauchte Zeit. Die typischen Achterbahnfahrten ihrer Gefühle war ich gewohnt. Es war wirklich etwas viel verlangt, doch auch ich hatte meine Kämpfe mit der ganzen Geschichte. Es gab so Vieles, was ich nicht wusste und noch mehr, was ich nicht verstand. Antworten gab es zwar, aber die änderten nichts daran, dass Amy ein Schicksal hatte, das nicht leicht anzunehmen war.
Onkel Finley kam auch nicht mehr zurück in die Küche, als er Mr. Tramonti verabschiedet hatte. Wahrscheinlich brauchte auch er Zeit, um nachzudenken.
Ich räumte den Tisch ab und stellte das schmutzige Geschirr in den Spüler. Als die Küche aufgeräumt war, zog ich mich in die Bibliothek zurück, jener Ort, an dem ich mich schon immer wohl und aufgehoben gefühlt hatte. Ich kuschelte mich mit einem kleinen Kissen in den Ohrensessel, der vor dem großen Kamin stand, und genoss die Ruhe, die mich umgab. Es war so friedlich in der Bibliothek und ich hing eine Weile meinen Gedanken nach. Soweit ich wusste, waren es nur Luca und dieser Matteo, die hinter uns her waren, wobei ich nicht sicher war, ob Luca wirklich seinen Auftrag durchführen wollte. Mit ihm schien etwas nicht in Ordnung zu sein und von der Grausamkeit und Härte, wie Mr. Tramonti die Taluris beschrieben hatte, konnte ich bei ihm nichts feststellen. Im Gegenteil, wenn ich ehrlich war, war er mir sogar sympathisch. Von Anfang an löste er Gefühle in mir aus, die mir fremd, aber gleichzeitig nicht unangenehm waren. Abgesehen davon, dass er absolut gut aussah und seine Augen mich in seinen Bann zogen, war da noch etwas, was mich faszinierte. Beim besten Willen konnte ich diesen Mörder nicht als einen solchen ausmachen. Vielleicht täuschte ich mich auch und unterschätzte ihn. Vielleicht trat ich genau in die Falle, in der er mich mit seiner
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