Seelensturm
ebenfalls einen Kaffee in die Tasse goss. Das Training hatte mich ausgelaugt, daher griff ich beherzt zu und gönnte mir ein Honigbrötchen mit frischer Butter und eine Schüssel Müsli.
»So, ich glaube, ihr habt nun alles, was ihr braucht. Ich bin in der Waschküche, eure Wäsche macht sich ja schließlich nicht von allein«, gab Agnes von sich und verließ den Raum. Kurz sahen wir ihr hinterher. Die Arme! Wir bereiteten ihr viel Arbeit, dachte ich und beschloss, ihr heute etwas zu helfen. Das Haus, der Garten und uns bekochen, waren bestimmt keine leichten Aufgaben - und das jeden Tag. Onkel Finley sah mir zu, wie ich eine dicke Schicht Butter auf mein Brötchen strich. Kurz schüttelte er den Kopf und schien meinen morgendlichen Appetit nicht zu verstehen. Er wandte sich noch einmal zur Tür, doch Agnes war gegangen.
»Mr. Tramonti wird uns nach dem Frühstück verlassen«, sagte Onkel Finley. Sofort waren alle Augen auf den Professor gerichtet.
»Warum?«, platzte es neugierig aus Amy heraus.
Mr. Tramonti lächelte und schob seine Brille wieder etwas höher auf seine Nase. »Oh, ich würde gerne noch bei euch bleiben, doch leider wurde ich heute Morgen zurückbeordert, da es in unserer Zentrale … Neuigkeiten gibt.«
»Was für Neuigkeiten?«, fragte Amy neugierig, was Onkel Finley schon wieder als vorlaut wertete und sie ermahnte.
»Amy, sei nicht so indiskret.«
»Nein, nein. Das ist schon in Ordnung. Es betrifft sie ja schließlich. Sie ist schließlich eine Illustris«, beschwichtigte er meinen Onkel. »Man rief mich heute Morgen an und teilte mir mit, dass es Anzeichen für verdächtige Aktivitäten gibt. Jedoch konnte ich am Telefon nicht weiter sprechen, da die Gefahr besteht, dass wir abgehört werden. Daher werde ich heute nach Europa fliegen. Diese Sache hat höchste Priorität.« Mr. Tramonti nahm einen Schluck von seinem Kaffee.
»Was ist das für eine Organisation?«, wollte ich genauer wissen und biss hungrig von meinem Honigbrötchen ab.
»Wir, die Padre de Luz, sind Wissenschaftler und Ärzte, die das Phänomen der Illustris schon seit Jahrhunderten studieren. Anfangs nahmen sich Mönche aus einem Kloster der Illustris an, heute machen wir es. Das Ziel unserer Organisation ist, herauszufinden, wie wir ihre Kräfte für die Menschheit sinnvoll nutzen können, wobei wir die Illustris aber auch vor Missbrauch zu schützen versuchen.«
»So lange gibt es Ihre Organisation schon?«, unterbrach Amy ihn und sah ihn mit großen Augen an.
Mr. Tramonti lächelte. »Ja, damals wie heute versuchen wir, die noch lebenden Illustris zu schützen, indem wir sie ausfindig machen und sie bei uns aufnehmen. Wir klären die Mädchen auf und bilden sie in Kampf- und Heilkunde aus.
Das hörte sich richtig professionell an. »Sie meinen, wie in eine Art Schule für Illustris?«
»Richtig, Jade. Ähnlich, wie in einer Schule. Das Problem ist, dass die Mädchen oft nicht wissen, was sie mit ihrer Gabe anfangen sollen. Die meisten sind völlig verängstigt, erst recht, wenn wir ihnen von den Taluris erzählen. Dadurch dauert die Schulung, die sie von uns bekommen, recht lange. Sie werden zwar psychologisch betreut, aber ihr Heimweh ist stärker, so dass sie uns meistens unausgereift verlassen«, sagte er und Traurigkeit lag plötzlich in der Luft.
»Und was sind das für Neuigkeiten, die Sie nun erhalten haben? Eher gute oder schlechte?«, fragte ich und biss herzhaft in mein Brötchen.
»Das kann ich beim besten Willen nicht sagen. Doch meistens sind es … leider nicht die allerbesten Nachrichten«, meinte er.
»Doch das muss nichts heißen, es könnte sich genauso um ...« Mr. Tramonti brach mitten im Satz ab und überlegte.
»Ihr braucht euch keine Sorgen zu machen, ich werde euch selbstverständlich informieren, falls unsere Leute Aktivitäten registrieren, die euch in Gefahr bringen könnten. Trotz allem wisst ihr, dass sich ein Taluri in eurer Nähe befindet und es nach einiger Zeit wieder versuchen wird, Amy zu ... . Nun ja, ihr wisst schon!«
Nicht mal Vico Tramonti konnte die Grausamkeit aussprechen, die diese Mörder besaßen. Und ich konnte mir nicht vorstellen, dass Luca so etwas Entsetzliches tat. Obwohl er es selbst ganz ungeniert und frei zugegeben hatte.
Clive betrat die Küche. »Das Taxi ist da, Mr. Lewis«, sagte er und verschwand wieder.
»Okay, dann wird es wohl Zeit für mich.« Vico Tramonti stand auf und verabschiedete sich von Amy. »Keine Angst, du hast viele Leute um dich
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