Seelentod
kommt?»
«Ja, einen Angestelltenausweis. Das hat er ausgehandelt, als er da mit seiner Praxis angefangen hat. Meistens, wenn er dort ist, geht er schwimmen und in den Fitnessraum.»
Langsam entspannte Charlie sich. Vera hatte die Versuchung verspürt, ihm eine Standpauke zu halten, um ihn endlich auf Trab zu bringen, aber heute Morgen beim Aufwachen war ihr hochherzig zumute gewesen, sie war stolz auf sich, weil sie an einem heiklen Punkt der Ermittlungen aufgehört hatte, zu trinken. «Was wissen wir über Freya Adams?»
Er hatte sich sogar ein paar Notizen zu Freya gemacht, die er jetzt vorlas, wobei er, da sie ihn nicht unterbrach, immer flüssiger wurde.
«Freya Adams hat vor etwa zwei Jahren begonnen, im Willows zu arbeiten, erst immer nur samstags, weil sie noch zur Schule ging, dann, in den vergangenen Sommerferien und über Weihnachten, ganztags. Um die Zeit hat sie dann am Newcastle College angefangen. Über Weihnachten ist sie sogar in die Unterkünfte für die Angestellten gezogen, weil ihre Eltern ausgewandert sind. Die haben zwar arrangiert, dass sie bei ihrer Großmutter bleiben kann, aber das hat offenbar nicht so gut funktioniert. Anscheinend hat sie sich zu eingeengt gefühlt. Ihre Oma hat sie wie ein Kind behandelt. Das sagt zumindest Ryan Taylor, der stellvertretende Geschäftsführer.»
«Arbeitet sie noch im Hotel?», fragte Ashworth.
Ein rascher Blick auf die Notizen. «Nicht, seitdem sie bei Morgan eingezogen ist. Er möchte, dass sie sich auf ihr Studium konzentriert.»
«Und das engt sie ja wohl überhaupt nicht ein!» Das kam von Holly, die seit Beginn der Besprechung auf eine Gelegenheit wartete, ihren Senf dazuzugeben.
«Weiß die Geschäftsführung vom Willows, dass Freya schwanger ist?», fragte Vera.
«Ryan hat da was läuten gehört, aber er hat nicht mit Morgan darüber gesprochen.» Charlie hielt inne. «Ich habe den Eindruck, dass unser Michael gern für sich bleibt. Er unternimmt kaum was mit den Hotelangestellten. Hält sich für was Besseres. Und er trinkt ja auch nichts, und wenn die anderen was zusammen unternehmen, ist meistens Alkohol im Spiel.»
«Warum ist er dann auf die Weihnachtsfeier gegangen? Kaum zu glauben, dass das sein Ding ist.» Vera konnte die Weihnachtsfeiern im Büro nicht ausstehen. Jeder versuchte, fröhlich zu sein. Mieses Essen und mieser Fusel. Keine Chance für sie, das nüchtern zu überstehen.
«Keine Ahnung.» Charlie sah unsicher von dem Fetzen Papier in seiner Hand auf, die Frage brachte ihn aus dem Konzept. «Das hat sie alle überrascht. Er war nicht mal eingeladen, ist einfach da aufgekreuzt.»
«Vielleicht hatte er da ja schon ein Auge auf Freya geworfen», meinte Holly. «Er kommt mir vor wie ein Raubtier auf Beutezug. Auch schon, wie er sich an Mattie rangemacht hat. Gut möglich, dass er ihr gefolgt ist und nur die Gelegenheit beim Schopf ergriffen hat, als sie in dem Café Geld brauchte. Vielleicht guckt er sich ja junge, unschuldige Dinger aus, die niemanden haben. Bestimmt ist darüber geklatscht worden, wie Freyas Eltern sie im Stich gelassen haben. Also ist er auf die Feier gegangen, um sie sich zu angeln.»
«Und dann muss er sie fast sofort geschwängert haben.» Vera fragte sich, wie einvernehmlich dieser Sex wohl gewesen war. Hatte Freya auf der Feier was getrunken? War es da passiert? Jetzt war es zu spät, ihn deswegen dranzukriegen, aber so oder so fügte es sich nahtlos ins Bild …
«Was glauben wir in Bezug auf Morgan und Jenny Lister?», fragte Joe Ashworth. «Hatten sie eine Affäre? Wenn ja, wann? Bevor er was mit Freya angefangen hat?»
Lange herrschte Stille. Alle versuchten, sich über die komplizierten Zeitabfolgen klar zu werden, wollten sich aber auch nicht festlegen.
«Das glaube ich einfach nicht», sagte Holly schließlich. «Er steht auf schutzlose kleine Mädchen. Frauen, die Hilfe brauchen und sich ihm nicht widersetzen. Frauen, die er kontrollieren kann. Es würde seinem Wesen komplett widersprechen, wenn er was mit einer starken, unabhängigen älteren Frau gehabt hätte. Wir haben nur die Aussage von dieser alten Nachbarin, dass Jenny eine neue Beziehung angefangen hat. Dafür, dass Morgan das war, gibt es keinen Beweis.»
«Auch starke Frauen können Hilfe gebrauchen.» Vera sprach, ohne nachzudenken, dann sah sie, dass alle sie anschauten und Schlüsse zogen, von denen ihr lieber wäre, sie würden sie nicht ziehen. «Und Jennys Freundin, die Lehrerin, glaubt, dass sie so was wie eine
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