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Seelentod

Seelentod

Titel: Seelentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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vergewissern müssen, ob es eine Verbindung zwischen Michael Morgan und dem Willows gibt. Erste Stunde auf der Polizeischule.
    Auf der ganzen Fahrt Richtung Norden hatte sie ihre Wut am armen Joe Ashworth ausgelassen. «Muss ich denn an alles selbst denken? Ich habe doch um eine Liste der Angestellten gebeten. Um Übereinstimmungen zwischen den Verdächtigen und dem Fitness-Club zu überprüfen. Das hätte Charlie machen sollen. Was hat dieser Faulpelz denn bloß getrieben?» Sie fuhr zu schnell durch den Nebel und kostete es aus, dass Joe blass wurde und, die Lippen fest aufeinandergepresst, zusammenzuckte, als sie beinahe ein entgegenkommendes Auto rammten.
    Schließlich aber kitzelte sie die Reaktion hervor, auf die sie gehofft hatte. Er konnte nicht mehr und verlor die Beherrschung. «Bloß weil Ihnen Ihr Leben keinen Pfifferling wert ist, müssen Sie mich nicht mit in den Abgrund reißen! Ich habe eine Frau und Kinder. Menschen, die sich tatsächlich Sorgen um mich machen. Und wenn Sie Ihr Team ordentlich leiten würden, anstatt selbst die Arbeit Ihrer Leute zu machen, wüssten Sie auch, was Charlie getrieben hat!»
    Sie warf ihn unten an seiner Straße aus dem Wagen, machte nur in schroffem Ton mit ihm aus, dass sie ihn am nächsten Morgen abholen würde. «Seien Sie dann bloß fertig. Ich habe keine Lust, hier rumzuwarten, nur weil Sie noch Windeln wechseln oder Ihrer Brut einen Abschiedskuss geben.» Sie lud ihn nicht ein, noch auf einen Drink mitzukommen, obwohl sie sich schon den ganzen Nachmittag darauf gefreut hatte: auf die Möglichkeit, alles Gehörte in die rechte Perspektive zu rücken und mit dem einzigen Mann, dem sie sich jemals wirklich nahe gefühlt hatte, den Feierabend zu genießen. Seit ihrem Vorschlag, er solle sein Auto im Tyne Valley lassen, hatte sie das schon im Hinterkopf gehabt.
    Wie traurig das doch ist! Das war ihr Vater, der sich wieder in ihre Gedanken gemogelt hatte. Er ist so jung, er könnte dein Sohn sein. Glaubst du wirklich, er schert sich auch nur einen Dreck um dich?
    Sie stand auf und ging zum Fenster. Der Nebel hatte das Licht aus dem Tal geschluckt. Sie war jetzt von allem abgeschnitten, ganz allein auf der Welt. Mit schwankenden Schritten brachte sie die Flasche und das Glas in die Küche. Sie wusste, wenn sie jetzt noch etwas trank, würde sie die ganze Nacht nicht schlafen, und sie musste dem Geist ihres Vaters doch zeigen, dass sie ihren Job gut machte. Dass sie wusste, was sie tat.
     
    Morgendliche Einsatzbesprechung auf dem Polizeirevier von Kimmerston. Ashworth war fertig gewesen, als sie bei seinem hübschen kleinen Häuschen in der gepflegten Siedlung voller Möchtegern-Manager vorfuhr; er kam schon aus der Haustür, bevor sie auch nur aus dem Auto gestiegen war. Und sie war gnädig gewesen. Hatte sich entschuldigt, was sie sonst so gut wie nie tat. Jetzt herrschte eine Art Waffenstillstand zwischen ihnen, bei dem beide sich unwohl fühlten.
    Sie ließ den Blick durch den Raum schweifen, über ihr Team. «Wir haben echt Mist gebaut.» Vera fand, dass dieses «wir» ganz schön edel von ihr war. «Wie konnten wir bloß die Verbindung zwischen Morgan und dem Willows übersehen?»
    «Na ja, er gehört eben nicht richtig zum Personal», sagte Charlie. «Er benutzt den Raum im Fitness-Club und zahlt nur eine symbolische Miete, weil sie glauben, dass er Kundschaft für den anderen Kram anlockt. Aber er arbeitet freiberuflich, deshalb steht er nicht auf der Liste mit den Angestellten, die sie uns geschickt haben, und offizielles Mitglied im Club ist er auch nicht.»
    Er war nervös, was Vera diebisch freute. So nervös, dass der Styroporbecher mit Kaffee in seiner Hand zitterte und seine Stimme bebte. Sie nahm an, dass Ashworth Charlie gestern Abend angerufen hatte, kaum dass er zu Hause war: Sorge dafür, dass du auf alles eine Antwort hast. Die Chefin ist auf dem Kriegspfad.
    «Wissen wir, ob er an dem Morgen, an dem Jenny Lister umgebracht worden ist, im Hotel war?»
    «Das kann mir niemand sagen.» Charlie sah eingeschüchtert zu ihr hoch, wartete darauf, dass ihr der Kragen platzte. «Er muss nicht einstechen so wie die Angestellten.»
    «Na, dann kriegen wir das besser mal raus.» Vera blickte in die Runde. «Nein,
ich
kriege das besser mal raus. Ich sollte sowieso noch mal zum Hotel fahren. Ich habe das Gespür für den Tatort verloren, und ich kenne mich immer noch besser da aus als irgendwer von euch. Hat Morgan einen Ausweis, mit dem er in den Schwimmbereich

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