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Seelentraeume

Seelentraeume

Titel: Seelentraeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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hoch und warfen die Leiche in den Fluss unter ihnen. Brennan hob den Dolch auf, wischte ihn an einem Taschentuch ab und schleuderte ihn ebenfalls ins Wasser. Die Klinge fing das Sonnenlicht ein, funkelte im Flug und verschwand in der Tiefe.
    Rene nahm Angelia in den Arm und zog sie zum Aufzug. Richard folgte. Brennan blieb mit verschränkten Armen am Geländer stehen und wandte ihnen den Rücken zu.
    »Er ist verrückt«, schluchzte Angelia in der Liftkabine. »Er ist verrückt geworden.«
    »Alles wird wieder gut«, sagte Rene zu ihr.
    Nein, es würde nicht wieder gut werden. Brennans Kartenhaus stürzte ein, und Richard wartete nur auf den passenden Augenblick, die Karten anzuzünden. Während der Lift nach unten glitt, sann er über Mittel und Wege nach, genau das zu tun.
    Fünf Minuten später betrat Richard sein Quartier. »George! Ich weiß, dass du hier bist!«
    Eine Maus trippelte unter einem Bücherschrank hervor.
    »Finde meinen Bruder«, sagte Richard. »Wir müssen Vorkehrungen treffen.«
    George drückte sich in den Schatten einer Säule und beobachtete, wie der Speisesaal sich mit Menschen füllte. Er hatte ein albernes, prahlerisches Buch über Pierre de Rivière gelesen, in dem der Große Speisesaal als ein Raum »von fast schmerzhafter Eleganz« bezeichnet wurde. Doch das stimmte nicht. In Wahrheit verriet die Opulenz nur altes Geld.
    Die hellen Wände ragten fünfzehn Meter bis zu einer so blank geputzten gläsernen Decke hinauf, dass sie ohne die drei riesigen Kronleuchter daran unsichtbar gewesen wäre. Jeder der dreieinhalb Meter durchmessenden Lüster war aus haarfeinen Fasern aus Metall und Glas gesponnen und imitierte perfekt eine von hinten von der Sonne angestrahlte Wolke. Von jedem Kronleuchter ergossen sich Tausende Kristalle an dünnen Fäden wie die Tropfen eines Regenbogens. Da man die Fäden von unten nicht erkennen konnte, erlag man der Illusion eines Frühlingsschauers.
    Der Fußboden bestand aus bruchlosem, von silbernen und goldenen Adern durchzogenem Marmor. An den Wänden kletterten Bronzeranken empor, an denen künstliche Blüten aus Kristallen und Edelsteinen prangten. Dasselbe Rankenmuster schmückte auch die Stühle und die mit weißer Seide eingedeckten Tische. Dem Buch zufolge gab es im Speisesaal keine zwei identischen Stühle. Eine Behauptung, der George Glauben schenkte, als er die Einzelheiten der winzigen Blätter und Blüten musterte. Gegessen wurde von Silbertellern, und das Besteck schimmerte golden. Ein vom Boden bis zur Decke reichender Spiegel ließ den ohnehin schon riesigen Raum noch größer erscheinen.
    Dieser Ort war nicht nur alt, sondern zeitlos. Dank des hier konzentrierten Reichtums würde er niemals aus der Mode kommen. Dies war ein von alten, reichen Männern und Frauen für andere alte, reiche Männer und Frauen gebauter Raum. Niemand unter ihnen wusste, was es bedeutete, arm zu sein. Von einer der Kunstblumen oder einem einzigen Teller hätte eine Familie im Edge eine ganze Woche lang leben können. Und die Menge Nahrungsmittel, die weggeworfen werden würde, nachdem sich die Blaublütigen daran verlustiert hatten, hätte eine Kleinstadt dort einen Tag lang ernähren können.
    George hatte bittere Armut gekannt. Da er sich noch deutlich daran erinnerte, wurde ihm bei dieser Zurschaustellung von verschwenderischem Luxus übel.
    Gesprächsfetzen flogen vorüber.
    »… die Leiche gefunden …«
    »… Wasser. Ein Dutzend Messerstiche …«
    »Bei allen Göttern, wie schrecklich …«
    »… die Hochzeit wird womöglich verschoben …«
    Er entdeckte Charlotte und Sophie. Letztere führte an einer Leine mit silbernen Metallarbeiten den Wolfripper. Die Leine hätte besser zu einem kuscheligen, zehn Pfund leichten Welpen mit weichen Pfoten und manikürten Krallen gepasst als zu diesem riesigen, kräftigen Hund.
    Charlotte und Sophie nahmen ihre Plätze neben einem blonden Blaublütigen ein. Als er den Kopf wandte, erkannte George dessen Profil. Spider. Auch bekannt als der Graf von Belidor. Sophie flüsterte etwas, worauf er sich mit beinah väterlicher Miene zu ihr beugte und etwas sagte. Sie nickte.
    Es musste wehtun, neben ihm zu sitzen. George hatte gestern Abend mit ihr darüber zu sprechen versucht, soweit man überhaupt von einer Unterhaltung reden konnte, wenn einer der Beteiligten sich nur von fern über ein totes Eichhörnchen äußerte. Sophie sagte, es täte dermaßen weh, dass der Schmerz beinah süß sei. Er hatte eine Weile darüber

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