Seelenverkäufer
wildesten Vermutungen schossen mir durch den Kopf. Was konnte der C. B. für einen Grund haben, sein Namensschild von der Tür zu reißen, von uns Verschwiegenheit über seinen neuen Aufenthalt zu verlangen und schließlich noch diesen leeren Zettel abzuschicken? Er mußte vor irgend jemanden auf der Flucht sein und sich deshalb bei uns verbergen, ging es mir durch den Kopf. Aber vor wem? Und warum?
Und das war nun etwas, womit ich ganz allein fertig werden mußte, denn meinem Vater durfte ich von meiner Entdeckung nichts erzählen. Der hätte mir das Fell windelweich gedroschen, weil ich einen fremden Brief geöffnet hatte — und ich muß schon sagen, mit vollem Recht. Denn so etwas ist und bleibt eine Gemeinheit und Schweinerei. Wenn ich mich damals trotzdem nicht schämte, so kam das nur daher, weil ich viel zu überrascht war und an nichts anderes denken konnte, als was dieser leere Zettel zu bedeuten hatte. Da es ja völlig gleichgültig war, ob dieser Brief abgesandt wurde oder nicht, zerriß ich ihn in kleine Fetzen. Die ungestempelte Briefmarke mit dazu, denn beklauen wollte ich den C. B. ja nicht, und dann ging ich nach Hause und sagte, ohne rot zu werden, ich hätte den Brief eingesteckt.
Himmel, Zwirn und Wolkenbruch, es mußte doch möglich sein herauszukriegen, wer und was sich hinter diesem geheimnisvollen C. B. verbarg! Und weil ich den Vormittag über ziemlich fleißig gewesen war, hatte Vater nichts dagegen einzuwenden, daß ich mich nach dem Kaffee unter irgendeinem Vorwand verdrückte. Einen richtigen Schlachtplan hatte ich mir eigentlich nicht zurechtgelegt. Für lange Überlegungen war die Zeit zu kurz, aber ich wußte wenigstens schon, wo ich mit meiner Detektivarbeit anfangen würde, nämlich im Polizeipräsidium. Dort hingen in Schaukästen die Bilder von allen Ganoven, die steckbrieflich gesucht wurden, und da wollte ich zunächst einmal Umschau halten. Das mit den Steckbriefen hatte mir ein Freund erzählt, der unbedingt Detektiv werden wollte, aber er ist jetzt als Käser in einer Molkerei in der Lehre. Nun, ich will gleich sagen, daß ich kein Foto von unserem C. B. in den Schaukästen fand.
Aber etwas habe ich dabei doch gelernt, als ich mir da die Gesichter von den Mördern und Verbrechern ansah, daß es nämlich ein großer Quatsch ist zu glauben, einer, der gemordet hat, dem müßte man das gleich auf zehn Schritt gegen den Wind ansehen. Kein Gedanke daran! Die Kerle, die dort aushingen, und selbst solche mit drei oder vier Morden und fünftausend Mark Fangprämie, sahen genauso aus wie gewöhnliche Menschen. Und einer, der seine eigene Mutter umgebracht hatte — er war Monteur und hieß Emil Liebling, was ich meiner Lebtage nicht vergessen werde — , der trug einen blonden Scheitel und lächelte so freundlich, als hätte ihm jemand einen Witz erzählt. Das hat mich ziemlich erschreckt, muß ich schon sagen...
Damit war es also nichts. Steckbrieflich gesucht wurde unser C.
B. jedenfalls nicht. Obwohl mich das einigermaßen beruhigte, war ich mit mir doch nicht ganz zufrieden, denn nun war ich mit meiner Weisheit am Ende, etwas über den C. B. zu erfahren. Da fiel mir plötzlich der Dienstmann mit unserer Hausnummer auf der Mütze ein. Der mußte mir doch sagen können, wo er die Kisten unseres Mieters aufgeladen hatte. Nun haben die Dienstmänner alle ihre festen Standplätze, und sie kennen sich untereinander auch alle, denn allzu viele gibt es nicht mehr. Es fiel mir also nicht schwer zu erfahren, daß Nummer sechzehn am Hauptbahnhof stationiert war. Ich hätte mir das eigentlich selber denken können, denn wer die Nummer sechzehn hat, der gehört sozusagen zur alten Garde und hat sich zu einem einträglichen Platz hinaufgearbeitet. Für Dienstmänner ist ein Bahnhof immer der sicherste Versorgungsposten, wo es am meisten zu verdienen gibt. Dort stand ein halbes Dutzend von ihnen herum, aber der, den ich suchte, war nicht dabei, und so fragte ich einen, wo ich Nummer sechzehn finden könnte.
»Ah, du meinst wohl den Kuno«, sagte sein Kollege und grinste, »der hat gerade sein Quartal. Dann geh mal zum >Blauen Anker< in die Nikoloviusstraße, und wenn er da nicht schon beim Grog sitzt, brauchst du nicht lange zu warten, bis er kommt.« Und richtig, wie ich in den >Blauen Anker< kam, da stand Nummer sechzehn an der Theke und trank einen Grog, genau wie es sein Kollege vorausgesagt hatte. Seine Nase war so dick wie eine Kartoffel und blau wie abgefroren, was ich zu Hause in
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