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Seelenverkäufer

Seelenverkäufer

Titel: Seelenverkäufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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der Dunkelheit des Hausflurs mehr gerochen als gesehen hatte. Er schien mir ein ganz ausgepichter Säufer zu sein, und tatsächlich war der Grog, bei dem ich ihn antraf, sein elfter, dabei war er aber keine Spur betrunken.
    Als Nummer sechzehn mich sah, blinzelte er und sagte: »Verdammt will ich sein, wenn du nicht der Bengel bist, der mir neulich beim Abladen in der Brückenstraße geholfen hat. Das waren zwei verflucht schwere Kisten, und eigentlich bin ich nach Recht und Ordnung schuldig, dir einen auszugeben.« Er wollte mir gleich einen Schnaps bestellen. Aber ich winkte ab, denn ich fürchtete, Vater würde es hinterher riechen, daß ich einen zur Brust genommen hatte.
    »Nein«, sagte ich, »ich möchte wirklich nichts trinken; aber ich bin sehr froh, daß ich Sie gefunden habe. Denn wissen Sie, unser neuer Mieter hat in seiner vorigen Wohnung etwas vergessen, das ich ihm holen soll. Und nun ist mir doch wahrhaftig die Adresse entfallen, und zum zweitenmal möchte ich ihn nicht fragen, weil mit ihm wirklich nicht gut Kirschen essen ist.«
    »Das ist ein Teufel«, sagte Nummer sechzehn und stierte in sein Glas, »ein richtiger Teufel ist das, aber er hat so eine Art, so eine besondere Art — tscha, min Jung, wenn mir das ein anderer gesagt hätte...!« Er musterte mich aus zusammengekniffenen Augen, kippte den kalten Rest seines Glases hinunter und schob es dem Wirt zum Nachfüllen über die Theke. »So, und nun willst du also wissen, woher er gekommen ist, euer Mieter, he?«
    »Ja, das möchte ich gerne wissen.«
    »Und ich will verdammt sein«, grinste er mich an, »wenn du nicht ein ganz ausgekochter Lügenbeutel bist, min Jung!« Aber dabei schien er auf mich gar nicht böse zu sein, denn er blinzelte mich freundlich an.
    »Wie kommen Sie bloß darauf?« stotterte ich und versuchte, den Gekränkten zu spielen. Aber er winkte ab und sagte: »Laß man, Jungchen, da müssen schon andere kommen als solche Schnodderhasen wie du, um Kuno Dietrichsen die Hucke vollzuschwindeln. Und wenn du mir nicht gleich die Wahrheit erzählst, kannst du auf der Stelle wieder zu Muttern nach Hause gehen.«
    Das war deutlich. Und da sah ich ihn mir gründlich an und fand, daß er trotz seiner blauen Nase doch wie ein ehrlicher Kerl aussah, und erzählte ihm, daß ich später mal Kriminaler werden wolle — wobei er die Nase krauste, als ob ihm das nicht besonders gefalle. — Nun wollte ich mich in meinem künftigen Beruf schon ein wenig üben, weil unser neuer Mieter mir ganz und gar nicht geheuer vorkäme. Daß ich den Brief ans Meldeamt aufgemacht hatte, davon sagte ich natürlich kein Wort, denn manchmal haben diese alten Knacker trotz ihrer Abneigung gegen die Polizei in solchen Sachen sehr empfindliche Ansichten.
    »So, so«, brummte er, »und da möchtest du dich also bei seinen vorigen Wirtsleuten über ihn erkundigen?«
    »Ja«, sagte ich, »genau das möchte ich.«
    »Ich trau dir noch immer nicht so richtig über den Weg, Bürschchen«, sagte er und sah mich richtig lauernd an, »denn du scheinst mir ein ganz verflucht durchtriebener Lümmel zu sein. Aber was du da gesagt hast, hört sich so an, als ob man es fast glauben könnte. Deshalb will ich dir auch etwas erzählen, worauf du als künftiger Kriminaler schon einen Reim finden wirst: Du bist heute nämlich nicht der einzige und erste, der nach eurem Teufel von Mieter fragt. Und nun denk mal an: Das Fräulein — oder ich muß schon sagen, die Dame, denn sie sah wirklich aus wie eine Dame und war auch eine, wofür ich einen guten Blick habe, Jungchen — also, die Dame, die sich nach der neuen Adresse von eurem möblierten Herrn erkundigt hat, erzählte mir fast die gleiche Geschichte wie du, nämlich daß euer neuer Zimmerherr in seiner alten Bleibe etwas sehr Wichtiges habe liegenlassen, das sie ihm unbedingt abgeben müsse. Na, was sagst du nun? Und von dorther, wo euer Mieter gewohnt hat, da kommen keine Damen nicht, sondern höchstens Fräuleins. Und ich weiß nicht einmal, ob das Wort Fräulein für den Popel, der dort wohnt, nicht noch zu fein ausgedrückt ist...«
    »Und Sie haben der Dame gesagt, wo er jetzt wohnt?« unterbrach ich ihn.
    »Wo denkst du hin, du Rotznase!« fuhr Nummer sechzehn mich an. »Den Vorschuß von zehn Mark für den richtigen Hinweis versaufe ich gerade. Aber ich glaube nicht, daß davon mein Gedächtnis besser wird, obwohl mir euer Teufel von Mieter nur eine lumpige Mark Trinkgeld gab und außerdem zu mir sackgrob war. Aber

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