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Seelenverkäufer

Seelenverkäufer

Titel: Seelenverkäufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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schließlich hat unsereins ja auch so was wie Standesehre und Berufsgeheimnis, verstehst du? Und weil er mir befohlen hat, die Schnauze zu halten, wenn mich jemand fragen sollte, wohin ich seine Klamotten gebracht habe, hab ich selbstverständlich auch die Schnauze gehalten. Allerdings hat er nicht gesagt, ich soll das Maul halten, wenn mich jemand fragt, woher er gekommen ist — und deshalb kann ich es dir ja auch ruhig verraten: Liliengasse zwölf. Und nun aber raus mit dir, du verdammter Lausebengel, man kommt ja bei deiner Fragerei überhaupt nicht mehr zum Schlucken!«
    »Schönen Dank auch«, sagte ich und machte, daß ich davonkam, denn allein der Alkoholdunst aus dem Mund von Nummer sechzehn hatte mich benebelt.
    Liliengasse zwölf also! Na, das kann man ja sagen, die feinste Gegend war es nicht gerade, aus der unser C. B. zu uns gekommen war. Und wenn ich auch erst sechzehn war — was dort für Lilien blühten, das war mir doch schon ziemlich klar. In der Dunkelheit hätte ich mich da nicht hingetraut. Aber es war schließlich heller Tag, und deshalb beschloß ich, den Gang auf jeden Fall noch heute zu riskieren.
    Schiefe Häuser neigten sich in der engen Gasse mit altersschwachen Giebeln gegeneinander, so daß es selbst am Tage hier niemals so richtig hell wurde. Das Haus Nummer zwölf stand an der Ecke zur Veilchengasse, in der genau das gleiche Gesindel wohnte und wo es nach allem, nur nicht nach Veilchen roch. Als ich die Haustür von Nummer zwölf aufmachte, schlug mir ein Dunst entgegen, als ob dort im Keller zentnerweise verfaulte Kartoffeln lägen und als ob Pilze zuhauf an den Wänden wüchsen. Das Haus hatte drei Stockwerke. Ich läutete auf gut Glück an der ersten Tür links unten und fragte, ob hier ein Herr Johnen gewohnt habe.
    »Nee«, sagte die Frau, die mir öffnete: bei ihr hätten noch nie Herren gewohnt, aber ich solle mal oben bei Spanner in der zweiten Etage klingeln, da hätte ein Mann gewohnt, aber der sei eben ausgezogen.
    »Hieß er Johnen?« fragte ich.
    Das wußte sie mir nicht zu sagen, und deshalb ging ich ins zweite Stockwerk hinauf und läutete, wo >Witwe Spanner< stand. An den meisten Türen stand >Witwe<, manchmal ganz ausgeschrieben oder nur >Wwe.<. Es öffnete mir eine dicke Frauensperson die Tür, die wirklich wie eine Witwe aussah. Ihre Art zu öffnen war nicht gerade höflich, denn ehe sie überhaupt gesehen hatte, wer draußen stand, hörte ich sie von innen schimpfen, daß ihr das ewige Geklingel langsam auf den Nerv gehe. Ich schien also nicht der erste zu sein, der heute bei ihr geläutet hatte.
    »Guten Tag, Frau Spanner«, sagte ich honigsüß, weil ich es mit der Ollen nicht von vorneherein verderben wollte, »ich wurde von unten zu Ihnen heraufgeschickt, weil bei Ihnen bis vor zwei Tagen ein Herr gewohnt hat, und ich wollte fragen, wie der hieß, damit ich weiß, ob ich bei Ihnen auch an der richtigen Adresse bin.«
    »Rainer hieß der, F. G. Rainer«, antwortete die Alte mißtrauisch und unfreundlich.
    »Jawohl«, sagte ich und tat mächtig erfreut, »daß ist der Herr, den ich meine.« Denn die Vorliebe vom C. B. für abgekürzte Vornamen sagte mir sofort, daß ich bei der Witwe Spanner richtig gelandet war.
    »Willst du dich vielleicht auch erkundigen, wohin er verzogen ist?« fragte sie lauernd. Und dadurch, daß sie die Karten gleich offen auf den Tisch legte, merkte ich, daß sie dumm wie Bohnenstroh war und daß ich es mit ihr nicht sehr schwer haben würde.
    »Aber nein!« rief ich mit der treuherzigsten Miene. »Das weiß ich doch selber, weil er seit zwei Tagen bei meinen Eltern wohnt. Es ist nur so, daß meine Mutter mich zu Ihnen schickt, um zu fragen, ob er auch ein anständiger Mieter ist und pünktlich zahlt.«
    »Ach, komm doch mal ein bißchen rein, Kleiner«, sagte sie plötzlich mit einer tückischen Freundlichkeit zu mir, so daß ich sofort wußte, daß sie mich nur ausquetschen wollte und daß die Leute, die unserem
    C. B. nachspürten, schon bei ihr gewesen waren und ihr für die Adresse von unserem Mieter Geld angeboten hatten. Sie ging mit mir durch den dunklen Korridor in eine Stube, die mit grünen Plüschmöbeln eingerichtet war und in der es nach kaltem Zigarrenrauch roch. An den vier Wänden hingen Bilder, wie man sie bei uns nicht oft zu sehen bekommt, Gebirgslandschaften mit Alpenglühen und stolzen Jägern und Mädchen in bayerischer Tracht, die solch frische Gesichter hatten, als hätten sie sich die Wangen mit Zichorienpapier

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