Seelenverkäufer
Ordonnanz, an Bord der >Esperanza< ging. Es nieselte und wehte kalt von See her und war ein Tag, so düster und grau in grau, als sei der liebe Gott gestorben. Ich fror trotz Tuchjacke und dickem Unterzeug ganz erbärmlich, aber Hogendahl lachte und sagte, nach vier Wochen würde ich mir nichts sehnlicher herbeiwünschen als solch einen Tag mit richtigem deutschem Dreckwetter.
Da hatte ich mich nun so sehr nach Veränderung meines langweiligen Lebens und nach Abenteuern gesehnt, aber ich muß doch eingestehen, daß mir, als es damals mit dem erträumten Abenteurerleben losging, das Herz ein paar Stockwerke tiefer rutschte, genau dorthin, wo der Rücken seinen anständigen Namen verliert.
Vom Hafen her tuteten die Nebelhörner richtig schauerlich herüber, und die >Esperanza< sah gar nicht so wunderbar aus, wie man es ihrem schönen Namen nach hätte vermuten können. Sie war ein ziemlich alter Kasten und schwarz gestrichen wie ein Kohlenfrachter; wenn man von der Kaimauer über die ausgetretene glitschige Laufbrücke an Bord stieg, dann war das gleich wie ein Sprung über den ganzen Ozean, weg vom Heimatboden — denn am Heck klatschte naß und grün die brasilianische Flagge mit dem Globus in der Mitte. Der hatte eine Art von Bauchbinde, und darauf standen die Worte >Ordem e progresso<. Hogendahl sagte mir, das hieße »Ordnung und Fortschritt«, aber danach sah die >Esperanza< nun wahrhaftig nicht aus.
Wir kamen kurz nach Tagesanbruch in einer Droschke an der Werft vorgefahren, wo die >Esperanza< bis in die tiefe Nacht hinein Kohlen und Öl gelöscht hatte. Die Ladeluken waren schon geschlossen und das Deck gespült, aber es glänzte noch in allen Fugen und Ritzen schwarz vom Kohlenstaub. Es war sehr still an Bord. Nur ein Mann stand im Windschatten des Steuerhauses. Er hatte die Wache und erbot sich, als Hogendahl seinen Namen nannte, uns die Koffer abzunehmen und den Steuermann zu wecken, der sich in seiner Koje aufs Ohr gelegt hatte. Aber Hogendahl sagte, er solle den Zweiten ruhig schlafen lassen; und er fände sich an Bord schon allein zurecht. Den Koffer mit den Plänen hatte er, seit wir von daheim losgefahren waren, nicht einen Augenblick aus der Hand gegeben.
Die Wache brummte >orait< und verzog sich wieder auf ihren Posten im Steuerhaus, wo es einigermaßen geschützt war. Wir nahmen unsere Koffer, und Hogendahl führte mich über Treppen und Gänge nach achtern zu seiner Kabine. Es war ein schöner Raum und direkt nobel ausgestattet, mit Ledersesseln und Mahagonimöbeln. In einer Ecke stand ein kleiner Panzerschrank, in den Hogendahl sofort seine Papiere zu verstauen begann. Rechter Hand vom Kabineneingang befand sich eine kleine Tür.
»Dort logierst du, Pitt«, sagte Hogendahl und deutete auf das Türchen hin, »es ist zwar das Badezimmer, und du wirst schon in der Wanne pennen müssen, aber es schläft sich nicht schlecht darin. Richte dich ein, so gut es eben geht. Der Raum an Bord ist beschränkt, du hast es auf jeden Fall hier besser, als wenn du im Mannschaftslogis Unterkommen müßtest. Nur gibt acht, daß du nicht einmal im Schlaf aus Versehen mit dem Fuß die Brause auf drehst.«
Damit hatte er mich nur verkohlen wollen, denn als ich die schmale Tür öffnete, um mich in der Badewanne einzurichten, da sah ich, daß hier früher einmal tatsächlich ein Badezimmer gewesen war. Die Wanne war jedoch abmontiert, und dafür standen ein kleiner Diwan drin und ein Stuhl, und unter dem Bullauge war eine aufklappbare Tischplatte an der Wand befestigt. Und das alles für mich allein! Da hob sich mein Lebensmut gleich wieder.
Wir waren noch beim Einräumen unserer Habseligkeiten, als es an der Tür klopfte und auf Hogendahls »Herein!« der Zweite Steuermann erschien. Er stellte sich mit Olefson vor, war ein Däne aus Jütland und im übrigen der rothaarigste Mensch, den ich jemals zu sehen bekommen hatte. Er hatte schneeweiße Augenbrauen und eine Haut so weiß wie Magermilch. Nur auf seiner Nase waren ein paar Sommersprossen. Als er mir die Hand gab, die auch rot behaart war und so groß wie ein Suppenteller, da war ich doch heilfroh, daß ich dienstlich mit ihm nichts zu tun hatte. Hogendahl hatte mir nämlich meine Absicht, auf der >Esperanza< als Schiffsjunge anzuheuern, eben mit dem Hinweis auf solche Steuermannspranken ausgeredet. Wo der hinlangte, da wuchs kein Gras mehr.
Herr Olefson sagte, daß Don Saraiva den Kapitän telegrafisch nach Hamburg beordert hätte und daß die Mannschaft noch
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