Seelenverkäufer
bekam, und einer davon hieß: >Vom Lügen zum Stehlen ist ein Schritt, aber vom Stehlen zum Morden nur ein halber.< Und was mein Vater sagte, das hatte er sich auch meistens überlegt. Nein, ich blieb mißtrauisch und wußte, als Hogendahl den Vertrag bei Don Saraivas Notar am nächsten Tag Unterzeichnete, daß ich von jetzt an keine ruhige Minute mehr haben würde.
Sofort nach Abschluß des Vertrages reiste Hogendahl für eine Woche nach Kiel, um bei seiner alten Firma Material zu kaufen und einige Teile zu bestellen, die eiligst nach Bremen angeliefert werden sollten, denn schon in den ersten Oktobertagen wollte er von Bremen aus an Bord der >Esperanza< in See stechen.
Je näher der Abschied heranrückte, um so blümeranter wurde mir zumute. Bis ich mir endlich, während eines seiner kurzen Besuche bei uns, ein Herz faßte und ihm geradeheraus erzählte, daß ich das Herumlungern zu Hause bis zum Halse und darüber hinaus satt hätte und es mein großer Wunsch sei, mit ihm zusammen in die Welt hinauszukommen. Ich wäre für den Gemüsehandel nicht geboren, und es jucke mich richtig im Sitzfleisch, endlich etwas zu erleben.
Daß ich nicht als Vergnügungsreisender mitfahren, sondern feste zupacken wollte, wo es not tat, war ja selbstverständlich. Aber mein Hauptgedanke dabei war doch, daß es Hogendahl nicht schaden könne, wenn er einen Menschen an Bord hätte, auf den er sich felsenfest verlassen konnte.
Und da kam es heraus, daß er selber schon daran gedacht hatte, mich mitzunehmen und nur deshalb damit nicht herausgerückt war, weil meine Mutter einmal in seiner Gegenwart gesagt hatte, das überlebe sie nicht, wenn ihr einziger Sohn zur See fahre. Das wäre Tag und Nacht ihre größte Furcht, daß ich einmal mit solchen Plänen daherkommen könnte. Ihre beiden Brüder waren nämlich auf See ums Leben gekommen, der eine im Skagerrak und der andere als Steuermann auf einem Ostasien-Frachter.
Als mir Hogendahl von seiner Absicht erzählte, wäre ich ihm vor Freude beinahe um den Hals gefallen. Als Mann beherrschte ich jedoch meine Gefühle und drückte ihm bloß stumm die Hand. Und was meine Mutter mit ihren Sorgen beträfe, meinte ich, da wäre es wohl das Allereinfachste, wenn ich von zu Hause durchbrennen täte. Aber da hielt Hogendahl mir eine mächtige Standpauke: daß es ein ganz gemeiner Gedanke von mir sei, wofür ich mich schämen solle, und daß er mich kielholen lassen würde, wenn ich es fertigbrächte, meiner guten Mutter solch einen Kummer zu bereiten. Das sollte ich mir nur aus dem Kopf schlagen, sagte er, und er würde die Sache mit meinen Eltern schon in Ordnung bringen. Er drückte mir ein paar große Scheine in die Hand und befahl mir, mich für eine Weile aus dem Staube zu machen und mir eine ordentliche Seemannsgarnitur und vor allem ein halbes Dutzend wollene Hemden und warme Unterhosen zu kaufen. In der Zwischenzeit werde er die Geschichte mit meinen Eltern regeln.
Ich zog also los und kaufte ein: die Hemden und Unterhosen zuerst, und zwar neue. Das andere besorgte ich beim Trödler, weil ich mich zu Tode geschämt hätte, wie ein blutiger Anfänger in lauter ungetragenem Zeug aufzukreuzen. Für fünf Mark bekam ich ein Paar Seemannsbüxen aus blauem Tuch, bis zu den Knien schmal, so daß sie richtig auf den Schenkeln spannten, aber dafür unten breit auseinanderfallend wie zwei Glocken. Weiter erstand ich einen Sweater aus dicker grauer Schafwolle. Und dann wollte ich eine Düffeljacke haben, weil ich in dem Roman >Jack, der Leichtmatrose< von Kapitän Marryat gelesen hatte, die richtigen Seebären trügen alle Düffeljacken. Aber der Trödler sagte, ich hätte Rosinen im Kopf: eine blaue Tuchjacke täte es auch, und taufen könnte ich sie ja wie ich wolle.
Als ich dann gegen Abend beladen wie ein Packesel nach Hause kam, gar nicht so sehr sicher, daß ich das ganze Zeug nicht würde zurückgeben müssen, da hatte es Herr Hogendahl doch tatsächlich fertiggebracht, die Alten umzustimmen. Vater brummte ja noch ein bißchen, und Mutter hatte nasse Augen, aber sie redeten sich beide ein, daß es mir nichts schaden könne, wenn ich draußen in der Welt die Ohren steifhalten müßte und mir mal mit dem Tauende Mores beigebracht würden.
Wen sie damit trösten wollten, ist mir unklar geblieben. Die beiden Alten aber schien diese Aussicht für mich sehr zu beruhigen.
15
Ja, so war alles gekommen, daß ich am zehnten Oktober morgens um acht Uhr, sozusagen als Hogendahls Leibgarde und
Weitere Kostenlose Bücher