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Seelenverkäufer

Seelenverkäufer

Titel: Seelenverkäufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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auf Landurlaub sei. Die Heizer wären auf Mitternacht und der Lotse auf sieben Uhr früh bestellt.
    »Der Erste Steuermann ist vor einigen Tagen im Auftrag von Don Saraiva nach Liverpool gereist«, sagte Olefson weiter, »er soll dort ein paar Leute anheuern.«
    »Taucher?« fragte Hogendahl kurz.
    Der Zweite zuckte mit den Schultern. »Kerle, die auch tauchen, wenn es sein muß«, antwortete er mit verkniffenem Gesicht.
    »Wie lange fahren Sie schon auf der >Esperanza<, Herr Olefson?« fragte Hogendahl schließlich.
    »Etwas über ein Jahr«, antwortete der Däne.
    »Hm...« sagte Hogendahl.
    »Sehr richtig«, bemerkte Olefson und stopfte sich seine Pfeife.
    Ich ging in meine Kammer zurück, um noch den Rest von meinen Klamotten unterzubringen, und hörte durch die offene Tür zu, worüber sich die beiden unterhielten. Hogendahl erkundigte sich nach den Namen der Offiziere und Maschinisten und antwortete auf Olefsons Frage, ob er denn schon einmal auf der >Esperanza< gefahren sei, daß er dieses Vergnügen vor einigen Jahren gehabt hätte. Olefson sagte mürrisch, stolz wäre er ja nun gerade nicht darauf, auf diesem Kasten und unter dieser Flagge zu segeln, aber was solle man sonst machen in diesen miesen Zeiten? Er war überhaupt ein ziemlich unfreundlicher und auch wortkarger Bursche.
    »Wann will denn Don Saraiva an Bord eintreffen?« fragte Hogendahl.
    »Er hat das Abendessen für acht Uhr bestellt. Sein Koch und der Steward sind schon da. Schätze also, daß er gegen Abend zu erwarten ist.«
    »Noch eins, Herr Olefson«, sagte Hogendahl, als der Zweite wieder an seine Arbeit gehen wollte, »sind meine Mechaniker gut untergebracht? Ich erwarte die Leute im Laufe des Nachmittags.«
    »Ich habe ihnen die Kojen neben dem Mannschaftslogis einräumen lassen«, antwortete Olefson und ging davon. Als er die Tür schloß, war mir so, als hätte ich ihn »Verdammte Klempnerwirtschaft« brummen hören. Überhaupt hatte ich den Eindruck, daß der Zweite uns nicht besonders gewogen sei.
    Später, als wir mit dem Auspacken und Einräumen fertig waren, zeigte mir Hogendahl das Schiff. Es war schon ein sehr merkwürdiger Kahn und sicherlich ziemlich einmalig in der christlichen Seefahrt: Halb Schiff, halb Schlosserwerkstatt, und was die Kabinen am Achterdeck betraf, die waren kostspieliger eingerichtet als die teuerste Luxusjacht. Neben dem kleinen Speiseraum, der ganz mit exotischen Hölzern ausgelegt und mit dunkelroter Seide bespannt war, befand sich eine fabelhaft eingerichtete Küche, in der alles nur so vor Nickel und Silber blitzte. An den Wänden hingen blankpolierte Kupfertiegel und Pfannen, und am Herd rührte ein Kerl ganz in Weiß und mit einer hohen Kochmütze in einem Topf herum. Dem sah man den Franzosen auf hundert Schritt gegen den Wind an, ohne daß er zu parlieren brauchte. Der Steward stand dabei und rieb geschliffene Weingläser blank.
    »Stell dich mit dem Musjöh gut, Pitt«, flüsterte Herr Hogendahl mir zu, bevor wir Monsieur Grigot begrüßten, »mit dem Kochlöffel in der Hand hat noch kein Franzmann einem braven Deutschen Schaden zugefügt.«
    Gerade, als Hogendahl den Koch fragen wollte, was er denn da Gutes im Topf habe, erschien der Wachhabende in der Tür und meldete, auf dem Kai stände ein Depeschenbote mit einer Nachricht für Herrn Hogendahl.
    »Depesche...«, brummte Hogendahl, »wahrscheinlich von Don Saraiva.« Er ging zum Laufsteg, wo der Bote auf ihn wartete. Es war aber keine gewöhnliche Depesche, sondern ein Telegramm: es hatte schon den Umweg über die Brückenstraße gemacht und war Hogendahl von meinen Eltern zur >Esperanza< nachgeschickt worden. Hogendahl sah auf das gelbe Pergamentfenster des Umschlages, als zweifle er daran, daß er der Empfänger sei. »Aus Amerika, wahrhaftig«, sagte er befremdet und zögerte, den Umschlag aufzuschlitzen.
    »Vielleicht ’ne Erbschaft«, orakelte ich aufs Geradewohl, weil man doch immer zuerst an so etwas denkt, wenn man eine Depesche aus Amerika bekommt, ohne eine Ahnung zu haben, wer einem von so weit her telegrafieren könnte. Aber es schien keine Erbschaft zu sein, denn Hogendahl schrie weder juhu noch hussa, sondern blieb stumm, verkniff den Mund und ergriff plötzlich das Eisengeländer des Laufstegs so hart, als ob er das Gestänge verbiegen wollte.
    »Sie kommen leider ein paar Wochen zu spät, Herr Oberpostrat«, sagte er schließlich mit einem dünnen, gefrorenen Lächeln zu dem Telegrammboten und reichte mir das Blatt, ohne sich

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