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SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition)

SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition)

Titel: SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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ging weiter durch einen kurzen Flur, der Geruch von Stein ganz nah. Da war eine vergitterte Öffnung, wie bei einem Fahrstuhl für Lasten, diese führte einen schmalen Gang entlang. Eine weitere Tür, in den Stein gefügt. Nilah drückte die alte Klinke herunter, die in den Quadern hockte, sie quietschte. Sie trat auf einen weiten Balkon hinaus. Hinter ihr knurrte jemand mit vielen R´s.
    »Wirr haben sie leiderrr verrrlorrren, Hoheit.«
    Der Blick auf das, was sie sehen musste, war etwas, das sie nicht sehen wollte. Nilah schluckte schwer.
    Schnee fiel auf ihr Haar.
     
    Die Nachtluft war klar und kalt. Sie konnte weit ins Inland blicken. Auf eine Stadt.
    Es war eine Stadt, die längst gestorben war, das begriff sie sofort. Straßen und Häuser waren dort. Doch war alles Lachen, Streiten, Weinen, alle Gassen und jeder Winkel darin ausgelöscht. Jeder Laut von Leben war verklungen. Ein Knebel steckte noch immer in den Mündern der zerborstenen Fenster. Man hatte der Stadt die Hände auf den Rücken gefesselt und sie in einen Kerker gestoßen.
     
    Der Schnee wirkte fahl, als wäre er ein zerrissenes Tuch, das sich langsam über das Antlitz eines vertrauten Freundes senkte. Es gab keine Kraft, die aus diesem Moment strahlte, die war versickert. Der Blick glitt über weißbenetzte Mauern, die einst trotzig gewesen sein mochten, doch nun waren sie gebückt, gebeugt … längst verlassen.
    Was war noch Stolz? Nilah wusste es nicht, denn sie hatte nie nach diesem Gefühl in sich gesucht. Dennoch empfand sie Schuld, das Gegenteil von Stolz. Weil all das aussah wie es aussah. Es waren ihre Augen, die die Schneeflocken fallen ließen, es war ihre Schwäche, die den Frost in das Mauerwerk trieb und ihn zerspringen ließ. Es war ihre Stadt und sie hatte sie im Stich gelassen.
    Es war eine Stadt, die vor langer Zeit aufgegeben worden war. Ein bitterer Geschmack ganz weit unten, ein verlassener Pfad, mit abgestorbenen Ästen und viel Laub, das am Boden lag und bei jedem Schritt unheilvoll knisterte.
    Nilah sah auf sich selbst. Niemand sonst konnte es sehen, nur sie. Es waren ihre Mauern, ihr Schnee. Sie las den Anblick wie ein altes Buch, die Seiten vorsichtig wendend, im stummen Licht des Mondes. Es war als müsse sie dieses Licht finden, es befreien.
    »Irrr nicht dürrrfen so trrraurig nehmen«, sagte die Stimme hinter ihr.
    Nilah drehte sich um, sie versuchte zu lächeln, allein weil Lächeln Mut verlieh. Es gelang ihr nicht. Von einem Moment zum anderen fühlte sie sich eingeschlossen.
    Ein Labyrinth. ›All das hier war ein verdammtes Labyrinth!‹
    Man fand ohne jedes Zutun hinein, aber mit dem Hinauskommen war es dann echt Essig. Wie sollte man sich also fühlen, wenn einem irgendwie etwas Vertrautes begegnete und es dann doch so unvorstellbar falsch wirkte? Was also sollte man dann tun?
    In Nilah erwachte eine sehr kindliche Reaktion: Die Decke über den Kopf ziehen … und tüchtig quengeln wenn jemand diese Decke wegzog.
    Schlafen, die Welt ignorieren. ›Ich will nicht! Lass mich in Ruhe, verfluchtes Labyrinth. Ich bin nicht da. Ich bin woanders! Woanders.‹
    Die Decke über den Kopf ziehen - dieser Gedanke aber öffnete Türen. Dunkle Stufen abwärts, in einen Keller, den sie fürchtete. Dort, wo kein Mond die Dunkelheit erhellte, sondern die eigene Welt verstummte. Dort, wo Angst einen eigenen Atem hatte. Es war hier in der Luft, neben ihr, nein, es war noch näher, wie das eigene Blut. Nilah spürte eine Unsicherheit, die ihr vor langer Zeit fremd geworden war. Es war ein vergessenes Gesicht, das dort in den Schatten des Kellers wohnte, nur hatte sie Kisten und Krempel davor gestellt. Jetzt war etwas davon verrutscht und sie konnte ganz deutlich ein Auge in dem entstandenen Spalt erkennen. Es war hier mit ihr. Und umso mehr sie dieses Auge wahrnahm, desto mehr existierte dieses in ihr selbst.
    Doch der Punkt des Erkennen Wollens kam nicht. Ganz so als wäre er nicht daran interessiert, erkannt zu werden. So wie es der Zeit egal war, ob sie rasend schnell oder quälend langsam verging. Sie war einfach da, wann immer man nach ihr suchte.
     
    Das Zimmer hatte den Charme eines verschrobenen Kräuterkundlers, der mit Schuhen an den Füßen schlief und wirre Haare hatte. Dennoch schien alles seinen Platz zu haben, so wie Suchende es eben mit der Ordnung hielten. Ein wohl verteiltes Chaos. Im Inneren eines steinernen Kopfes zu wohnen hatte schon etwas.
    Als Nilah der Geschichte der Stadt zuhörte, atmete sie ihren

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