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SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition)

SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition)

Titel: SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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willkürlich, hektisch. Sie suchten etwas und Queequeg war sich sicher, dass sie es unter Zeitdruck taten.
    Manche Fußabdrücke endeten vor Abwasserdeckeln, die aber geschlossen waren, dennoch war der Schnee daneben beiseite geschoben. Sie waren also sogar in den Untergrund gegangen, die Dämonen. Er nahm etwas Schnee auf und roch daran. Ranziges Fett! Nasses Fell. Totes Fell! Er drückte sein beringtes Ohr an den Schacht und glaubte ein fernes, gedämpftes Lachen zu hören. Jemand der so erbärmlich roch und dennoch dabei herzlich lachte, der hatte das Leben nicht länger bei sich. Er hatte es gegen etwas Anderes getauscht.
    Der tätowierte Harpunier grinste grimmig. Letztendlich kam es darauf an, auf wessen Seite man stand. Was hatte der Fremde in dem weit entfernten Hafen einmal zu ihm gesagt? ›Manchmal muss man ein Leben beenden, um ein anderes zu beschützen.‹
    Queequeg drehte sich um und ging in Richtung Leuchtturm davon.  
     Er mochte ja eine Romanfigur sein, aber eine, mit der man sich besser nicht anlegen sollte. Die Axt in seiner Faust wog plötzlich viel schwerer.
     
    In der Nacht gellten fürchterliche Schreie in der Stadt. Suchende schwere Schritte, die nur eine dünne Tür und eine Treppe weit entfernt schienen, dröhnten unter ihr. Nilah sprang auf und huschte unter eines der Fenster, presste sich dicht an die Wand. Ihre Augen wollten nachsehen, doch ihr Verstand hielt den Kopf gesenkt. Eine unerklärliche Furcht erfasste sie, machte ihr Herz grau. Sie blieb dort hocken. Die ganze restliche Nacht hallten die Rufe und Schreie weiter, ließen Glas zersplittern, zertrümmerten Holz, begleitet von hysterischen Lauten und einem archaischen Singsang, der durch die Gassen hallte.
    Irgendwann kam Queequeg zurück. Er schnaubte verächtlich, als er den kleinen Arzt in seinem Sessel schlummern sah. Er legte eine Decke um Nilah und sie sah die wilde Entschlossenheit in seinem tätowierten Gesicht, die Axt  in seiner Armbeuge liegend. Erst da beruhigte sich ihr Herz.
    Er trug sie zurück ins Bett, deckte sie so liebevoll zu, dass Nilah es gar nicht fassen konnte. Seltsamerweise hatte sein Anblick dabei etwas Väterliches, trotz der Wildheit, die er ausstrahlte.
    »Ist das hier wirklich mein Zuhause, Queegueg?« Er lächelte, was angesichts der gefeilten Zähne seltsam wirkte.
    »Das euerrr Land, Prrrinzessin. Euerrr Schutzgebiet. Ich nicht lasse zu, dass jemand Euch wehtut.« Nun passten die Zähne wieder und Nilah beruhigte sich.
    Er blieb an ihrem Bett sitzen, bis der Schlaf endlich kam.
     
    Sie verließen den Leuchtturm in der Morgendämmerung. Eine Zeit lang stand Nilah vor diesem Bauwerk, den Kopf in den Nacken gelegt und staunte.
    Die Frau, die dort stand, trug ein Gewand, das ein unsichtbarer Wind nach hinten gebauscht hatte. Erstarrt und zu Stein geworden. Der eine Arm war anmutig an den Körper gelegt, während der andere ausgestreckt über die Wellen ragte. Die Hand geöffnet, wie um ein Geschenk zu überreichen und darin loderten blaue Flammen, so hoch wie ein Springturm. Alles, die nackten Füße, die Beine, das Gewand, der Oberkörper, die Brüste, das Haar - alles war aus Steinquadern zusammengefügt. Ein atemberaubender Anblick.
    Sie gingen die Landzunge zurück Richtung Stadt. Überquerten eine kurze Hängebrücke, die zwischen dem Hafen und dem vorgelagerten Leuchtturm gespannt war. Nilah blickte in die Tiefe und ein Teil von ihr wusste, sie sollte jetzt in Panik geraten, weil Höhe ihr nicht gefiel, aber sie schritt hinüber, genoss sogar das leise Kribbeln in ihrem Magen.
    Eine große Statue begrenzte den Hafen. Sie sah aus wie ein griechischer Krieger, mit steinernem Wickelrock, Schild und Speer und einem Helm mit einem Federbusch aus Stein. Warnend blickte sie auf das schwarze, aufgewühlte Meer.
    Sie gingen am Kai entlang, der aus blass roten Steinen gemauert war und terrassenförmig zum Strand abfiel. Dort unten ragten die Piers ins Wasser und weiter draußen schirmte ein Mole aus Felsen den Hafeneingang, den wohl einst ein großes Tor gebildet hatte, denn es war eingestürzt, nur noch die gebogenen Seiten ragten empor und aus dem dunklen Wasser ragte ein weiterer steinerner griechischer Krieger, nur noch Helm und Speer ragten heraus. Es tat Nilah weh, dies alles nur im zerstörten Zustand sehen zu können. ›Wie mochte es ausgesehen haben, als die Welt noch in Ordnung gewesen war?‹
    Sinuhe erklärte mit roten Augen, offenbar hatte er die halbe Nacht hindurch weiter geweint,

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