SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition)

lächelte.
    »Tu das nicht. Wir werden danach nie wieder dieselben sein!« Der Krieger schnaufte den Satz mehr, als dass er ihn sprach.
    Nilah aber konnte nicht anders. Der gleichzeitige Traum loderte noch immer in ihr, sie sah die Felsen, die in dem Fluss lagen, spürte die Kälte auf ihrem Spann. Sie konnte seine Entscheidung spüren, als er damals für die andere Schöpferseele das erste Mal getötet hatte. Ein Leben nehmen, um ein anderes zu beschützen. Seine Hand nahm ihre ganz vorsichtig. Der Anam Ċ ara, der Gezeitenkrieger. Hier war er … jetzt und fühlbar. Und er konnte nicht schwimmen, weil er Angst davor hatte.
     
    Seine Haut war so nah.
    Nilah suchte ihren Atem, doch dieser verbrannte bereits, während sie es tat. Kein Bild war mehr da, aller Mut verließ sie und aller Mut versammelte sich in ihr. Küssen! ›Es war so einfach, oder? Die Lippen öffnen, dein Herz öffnen, und dann ...‹
    ... traf es sie.
    Seine Lippen waren unglaublich weich, wie Sonnenschein, der durch dunkle Wellen fiel. Sie wollte daran saugen, die Essenz erfahren, alles jetzt erleben, darin vergehen und sich selbst verlieren, nur um dabei wieder zurückfinden. Ein Zwinkern und doch einhundert Millionen Jahre dauerte das Gefühl an.
    Beinahe entsetzt löste sie sich von dem Kuss und sah ihm in die Augen. Ihr Atem ging schwer, ihr Herz glühte. Sie wollte es sehen. Seine Augen waren so blau wie immer, fern, verlassen und doch war etwas in ihnen, dass zuvor nicht dort gewesen war. Das Blau hatte sich verschoben. Es hatte dunkle Sprenkel bekommen. Wie winzig kleine erloschene Sterne prangten sie in diesem seltsamen Ozean.
    Nilah erschrak. Und doch küsste sie ihn ein zweites Mal. Sie ließ dabei die Augen offen und sah, dass er die seinen dabei schloss.
    Dort draußen ist die Welt.
    Dort draußen ist mein altes Leben.
    Dort draußen ist Nichts.
    Hier drinnen ist Alles.
    Hier fühle ich mich.
    Hier fühle ich ihn!
    Wo bin ich? Wer bin ich?
    Ich weiß es nicht länger.
    Ich weiß gar nichts mehr.
    Ich bin verloren!
    Ich will ihn nur für mich.
     
    Die Gegenwart endete für Nilah und würde niemals wieder dieselbe sein. Etwas verging und aus seiner Asche erhob sich etwas anderes. Neues Leben.
    Alles war Vergebung, süßer Schmerz. Als ihre Körper sich ineinander schoben, wie Berge hinauf zu den Wolken. Unwiederbringlich war dieser Moment, verloren in dem Augenblick, in dem er geschah. Kurz wie ein Gedanke. Doch es war kein Verlust, sondern eine Erweiterung. Nilah fühlte, wie sie sich ausdehnte, die alte Nilah abstreifte und in eine neue Hülle trat. Ihr Atem begann zu flirren, ihr Bauch fing an zu singen. Warm und wärmer. Ihre Haut floss hinüber in die seine. Der Himmel verfing sich in seinen Händen und sie atmete ihn ein. Sie knurrte, weil sie keine Luft bekam, sie biss in seine Schulter, weil sie hungrig war, sie leckte darüber, weil sie den Durst nicht länger ertragen konnte. Mit einem lautlosen Schrei, der nicht aus ihrer Kehle kam, sondern aus den leeren Räumen dazwischen, stieß sie ihr Herz mitten in seines, und sie begannen sich ineinander zu verflechten.
    Für immer.
    Haut berührte Haut, Seele lag an Seele ...
    … während die Welt dabei unterging.