SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition)
Nilah die dampfende Schale.
Nilah betrachtete ihn. Er starrte sie aus müden braunen Augen an, die viel mehr gesehen hatten als ihnen guttat. Wolkengraues Haar umgränzte einen wachen Geist. Die abrasierten Augenbrauen durch schwarze Striche ersetzt, ein wahrscheinlich ehemals weißes Gewand, das wie ein Geisterzelt an ihm hing, aus dem schmutzige Füße in ausgetretenen Sandalen lugten. Und Züge, die von viel durchstandenem Leid zeugten. Aber seine Augen hatte es nicht erreicht. Sie waren mild wie ein Frühling. Wiederkehrend, selbst nach einem harten Winter.
Sie nahm die Schale, es roch gut.
Der Mann kicherte, als sie skeptisch in die Brühe blickte.
»Nur Gemüse! So, wie Ihr es mögt.«
Sie tunkte den Löffel vorsichtig ein und probierte. Es schmeckte salzig. Voller Kräuter und Kraft. Sie verzog kurz wohlwollend die Lippen und der Mann klatschte freudig in die Hände, rieb sie wie ein paar Glücksbringer und nickte zum Dank.
Der Raum sah wie eine Dachkammer aus, die man in einem riesigen Schädel errichtet hatte. Gewölbte Wände, getrocknete Kräuter und Pflanzen hingen kopfüber von dunklen dicken Balken herunter. Ein roter Sessel stand in einer Ausbuchtung, die wie eine Nase geformt war. Ein Beistelltisch war daneben mit einem wackeligen Turm aus aufgeschlagenen Büchern. Steinerne Schalen zum Zerstoßen von Körnern und Samen, Schriftrollen, Pergamente. Es war das typische Tohuwabohu eines Suchenden.
Nilah gab die leer geschlürfte Schale zurück. Mit wohliger Wärme im Bauch fragte sie:»Wie ist dein Name?«
Der Mann hopste fast fluchtartig von dem Hocker auf, den er sich ans Bett gezogen hatte und schritt schnell zu einem großen Tisch, auf dem diverse Gegenstände durcheinander lagen. Er schien plötzlich nervös und stieß etwas um, das er aber sogleich verbergen wollte, als Nilah hinter seinem gebeugten Rücken ein Leuchten wahrnahm, von dem sie nicht glauben konnte, dass es wirklich da war. Ein Flachbildschirm.
Sie schlug die Decke beiseite und stand vorsichtig auf, ging langsam zu dem großen Tisch und sah dabei zu, wie der Mann den Bildschirm mit einem Tuch zuhängte und so tun wollte, als wäre das alles nur ein ganz unseliges Missverständnis. Nicht weiter der Rede wert. Er hob abwehrend die Hände. »Bitte, Ihr müsst Euch ausruhen... bitte!«
Doch Nilah war nicht mehr aufzuhalten. Energisch trat sie an den Tisch und zog das schmutzige Tuch wieder fort. Ihr Atem stockte.
Ein flacher, silberner Kasten mit Bildschirm - ein Computer - mit einem kleinen 17 Zoll-Monitor starrte sie an. Auf der Oberfläche war eine Seite geöffnet, die medizinisch wirkte, denn dort war eine Schlange, die sich um einen Stab wand. Jemand hatte einen Translater benutzt und ein ganz bestimmtes Wort eingegeben: Trauma! stand da, wie von Hand geschrieben. Und auf der Gegenseite, einem aufgeschlagenen Buch gleich, stand die andere Hälfte der Übersetzung aus dem Griechischen: Wunde!
Nilah wollte etwas sagen, konnte es aber nicht. Sie wankte plötzlich und der Mann hielt sie schnell fest, geleitete sie zum Bett zurück und half ihr sich niederzulegen.
»Was passiert hier eigentlich?«, fragte sie ganz leise.
Der Mann deckte sie zu und seine Augen begannen feucht zu werden, während er die Decke bis an ihr Kinn zog.
»So sagt doch, wer seid Ihr?«, flüsterte sie, als ihre Augen zufielen wie uralte Tore. Er wartete bis ihre Atemzüge regelmäßiger wurden, bevor er antwortete. »Ich bin Sinuhe, Eure Hoheit. Ich bin Euer Leibarzt!«
Sie erwachte als es dunkel war. Sie wusste, dass jemand zwischen den Schatten am Feuer verharrte.
Eines begriff Nilah: Sie war wirklich hier. Doch wo, das wusste sie nicht. Da war ein Gefühl des Entstehens, aber es war ganz verschwommen, irgendwie geradezu blass.
Da war eine bedrückende Gegenwart. Sie kannte den Weg. Ihre nackten Füße tappten durch das Zimmer. Jetzt war sie sich sicher, sie ging durch einen steinernen Kopf. Da waren die Ausbuchtungen der Ohren, nur leicht nach außen gewandt. Die Schlitze der Augen waren Fenster, verhüllt zwar, aber die Läden waren wie Ellipsen geformt. Das Feuer brannte noch immer, leises Knacken, ein Schnarchen, das sehr müde klang.
Sie öffnete die Tür. Diese erschien ihr wie die Spiegelung einer anderen Tür, die sie gesehen hatte. Man musste schon von der Seite darauf blicken, um zu erkennen, dass dort einst Rillen eingeschnitzt worden waren. Das Muster zu wirr, um es mit den Augen zu erfassen. Jemand folgte ihr lautlos. Sie
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