Seeteufel
auf den Grund ihres Hierseins zu konzentrieren. »Sie sind Herr Bretschwiler, Gabriel Bretschwiler, ist das richtig?«, eröffnete er die Befragung.
»Das ist mein weltlicher Name, ja.«
»Ich nehme an, Sie können sich ausweisen?«
»Natürlich. Aber wollen Sie mir nicht sagen, warum Sie gekommen sind?«
»Wir ermitteln, rein routinemäÃig, wegen eines GesetzesverstoÃes, der sich am 13. Mai dieses Jahres ereignet hat. Dabei sind wir auf Ihren Namen gestoÃen. Sie sind uns ganz schnell wieder los, sobald wir Ihre Identität geprüft und von Ihnen erfahren haben, wo Sie sich am Vormittag des 13. Mai aufgehalten haben.«
Mit unbewegtem Gesicht griff Bretschwiler in die GesäÃtasche seiner mustergültig gebügelten Hose und zog daraus ein Mäppchen hervor, dem er eine scheckkartengroÃe, laminierte Identifikationskarte entnahm und sie an Wolf weiterreichte.
»Sie stammen aus Zürich?«, stellte Wolf fest, nachdem er den Ausweis eingehend studiert hatte.
»Geboren und aufgewachsen bin ich in Freiburg, um genau zu sein. Später hat meine Familie ihren Wirkungskreis in die Schweiz verlegt.«
»Und seitdem sind Sie Schweizer Staatsbürger und leben in Zürich?«
»Ja. Bis mich meine Mission vor einem halben Jahr an den Bodensee führte.«
»Gut.« Er reichte Bretschwiler den Ausweis zurück. »Also: Wo waren Sie am Vormittag des 13. Mai?«
»Ich bitte Sie, darauf erwarten Sie hoffentlich keine spontane Antwort. Gott der Herr hat mir zwar ein gut funktionierendes Gedächtnis geschenkt, aber der Tag, nach dem Sie fragen, liegt über drei Monate zurück, wie soll ich das auf Anhieb wissen? Da muss ich nachsehen. Bitte folgen Sie mir in unser Büro.«
Mit gemessenen Schritten, die Hände wie betend aneinandergelegt, verlieà er den Andachtsraum. Wolf und Vögelein folgten ihm. Als er im Gang Jo und den Schwarzgekleideten erblickte, schien Bretschwiler kurz zu stutzen.
»Würdest du uns bitte folgen, Mirko?«, bat er gleich darauf. »Die Herrschaften sind an meinem Alibi interessiert.« Geflissentlich ignorierte er den fragenden Gesichtsausdruck seines Glaubensbruders und ging weiter.
Sie passierten einen weiteren Raum, wie die anderen weià gestrichen und eingerichtet. Flüchtig nahm Wolf eine Gruppe von sieben oder acht Gestalten in weiÃen Umhängen wahr, Frauen zumeist, die um einen runden Tisch saÃen und den Worten eines Predigers lauschten.
Endlich erreichten sie das Büro. Während Mirko die Tür hinter sich schloss, steuerte Bretschwiler einen Schreibtisch an, der mit Stapeln von Büchern, Zeitschriften und Ordnern sowie zahlreichen Notizzetteln und Zeitungsausschnitten geradezu überladen war. Eine Mineralwasserflasche mit einem Glas sowie diverse Schreibutensilien vervollständigten das Durcheinander. Auffallend war das Fehlen eines Computers. Von den Errungenschaften des elektronischen Zeitalters scheint der Sektenchef nicht allzu viel zu halten, dachte Wolf.
Zielsicher griff Bretschwiler nach einem obenauf liegenden Buch mit weiÃem Ledereinband. Es stellte sich als Terminkalender heraus. Nach kurzem Blättern hatte er den gesuchten Tag gefunden
»13. Mai, sagten Sie. Das war der Dienstag nach Pfingsten, richtig? Ja, jetzt hab ichâs wieder im Kopf. Hier, sehen Sie selbst.« Er hielt Wolf das aufgeschlagene Buch hin. ⺠H.G.  Treffen Dornbirn, 9.00  BegrüÃung, 9.15  Licht-Ritus, 10.00  â  12.00  Exerzitienâ¹, stand da. Während Wolf den krakelig hingeworfenen Eintrag studierte, nahm Bretschwiler einen Schluck aus dem Wasserglas.
»Können Sie das näher erklären? Ich nehme an, H.G. heiÃt Heavenâs Gate ?«, fragte Wolf.
»So ist es. Ansonsten gibt es nicht viel zu erklären. An diesem Tag waren wir mit unseren Vorarlberger Glaubensbrüdern in Dornbirn zusammen. Dazu hatten wir einen kleinen Saal angemietet, darüber gibt es Unterlagen. Ich habe das Treffen von Beginn an geleitet. Wenn ich mich recht erinnere, ging es bis vierzehn Uhr, danach haben wir die Rückreise angetreten. Reicht Ihnen das?«
»Wer ist wir?«
»Meine Glaubensbrüder und -schwestern von der Seezelle.«
»Seezelle?«
»So nennen wir unsere Ãberlinger Glaubensgemeinschaft.«
»Demnach gibt es mehrere Zeugen, die Ihren Aufenthalt in Dornbirn, sagen wir von neun Uhr bis
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