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Segel aus Stein

Segel aus Stein

Titel: Segel aus Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Vater.«
    »Ich WEISS, dass es um ihren Vater geht.«
    Er drückte auf aus und sah Angela an. Sie standen vor ihrer Haustür.
    »Ich hab's wirklich versucht«, sagte er.
    »Um was geht es?« Angela hielt die Tür mit der einen Hand auf. Winter schob den Buggy. Elsa schlief und schnarchte leise. Die Polypen. Irgendwann würden sie sie operieren lassen müssen, hatte Angela gesagt. Meinst du wirklich?, hatte er gefragt. Leider, hatte sie gesagt.
    »Johanna Osvalds Vater«, sagte er jetzt. »Sie hat schon mehrere Male versucht mich zu erreichen und scheint ziemlich verzweifelt zu sein.«
    »Dann ruf sie an zum Teufel«, sagte Angela. Ihr Gesicht war ganz offen, und es war keine Ironie darin.
    Er rief vom Flur aus an. Angela bereitete das Abendessen für Elsa vor, die im Fahrstuhl wach geworden war. In diesem Fahrstuhl konnte man unmöglich schlafen. Er war antik und hievte sich nur unter stöhnenden Protesten und lauten Seufzern aufwärts.
    Er hörte das Klingeln, zwei-, drei-, vier-, fünf-, sechsmal. Er wählte erneut die Nummer, aber niemand hob ab.
    In der Küche machte Angela Reisgrütze. »Da meldet sich keiner«, sagte er. »Das ist ja komisch.« »SEHR komisch«, sagte Elsa und kicherte. Winter lächelte.
    »Möchtest du auch Brei haben, Papa?« »Im Augenblick nicht, Liebling.« »Bald ist er ALLE«, sagte sie.
    »Du musst es eben noch mal versuchen«, sagte Angela und löffelte Brei in Elsas tiefen Teller.
    Er ging ins Wohnzimmer und wählte die Nummer von dort. Drei-vier-fünf-sechsmal Klingeln ins Leere. Er drückte auf aus und stellte den CD-Spieler an, der dort weitermachte, wo er gestern am späten Abend aufgehört hatte, mit Miles Davis und Freddie Hubbards Trompeten in The Court. Das Gericht. Oder der Hof, wenn man es so sah. Miles' Solo, das wie ein scharfer Schatten von einer grellen Sonne war. Klar. Ein langer Schatten auf einem Hof.
    Er schlug den Takt mit dem Fuß, das war nichts für einen Anfänger. Einmal vor ziemlich langer Zeit hatte er versucht es Angela zu zeigen, ihr beizubringen, aber sie hatte lachend aufgegeben. Gib mir Rock 'n' Roll, hatte sie gerufen. Okay, hatte er gesagt. Etwas Einfaches, Einprägsames, Mademoiselle. Du weißt ja nicht mal, was das ist!, hatte sie gesagt. Das weiß ich wohl, hatte er geantwortet. Dann nenn mir mal ein paar! Ein paar was?, hatte er gefragt. Nenn mir eine Band! Rockband! Er hatte nachgedacht und geantwortet.
    Elvis Presley.
    Sie hatte wieder gelacht, laut. Du bist wahrhaftig up to date. Und sie hatte einen Schluckauf bekommen.
    Er lächelte bei der Erinnerung. Aber er war up to date. Heute Abend würde er sich mit Pharoah Sanders' Album, Save Our Children beschäftigen. Himmel, er hatte gerade The Complete In A Silent Way Sessions gekauft.
    Er war immer up to date, immer, bei allem, was Anforderungen an den Zuhörer stellte.
    Im Augenblick blies Miles mit Clark Terry: Stop, Look And Listen.
    Das war es, was er tat, immer. Das war seine Arbeit: Anhalten, schauen und zuhören. Darauf lief es hinaus.
    Das und Ziffern ins Telefon einzudrücken. Er versuchte es wieder, aber auch diesmal ging niemand dran, und er rief Möllerström an, der sich auch nicht meldete.
    So. Ich hab getan, was man von mir und meinem Pflichtgefühl erwarten kann.
    Eine Stunde später versuchte er es wieder. Das sollte das letzte Mal sein. Angela war im Bad, aber nicht deswegen hatte er den Moment abgepasst. Auch diesmal meldete sich niemand.
    Sie kam ins Wohnzimmer zurück, als Bill Frisells Gitarre Amok lief wie schon so viele Male früher.
    »Jisses«, sagte sie. Das war einer ihrer Ausdrücke, genau wie »Mannomann«. Manchmal sprach sie eine Art keckes Fünfziger-Jahre-Schwedisch, das das Schwedisch der Familie Hoffman geworden war, als sie in das neue Land gekommen waren. Die Sprache hatte sich bei Hoffmans eingekapselt, und bei Angela hatte sich ein Teil erhalten. Er hatte sie darauf aufmerksam gemacht. Darauf kannst du Gift nehmen, mein Junge, hatte sie geantwortet.
    »Muss das so sein?«, sagte sie mit einem Handtuch um den Kopf und nickte zum CD-Spieler. Er konnte ihre Wärme spüren.
    »Ich weiß tatsächlich gar nicht, wie es sein muss«, antwortete er.
    »Wer so spielt, der sollte wahrscheinlich mal zum Arzt gehen.«
    »Ich wusste gar nicht, dass du solche Vorurteile hast.« »Vorurteile? Ich bin fürsorglich.«
    Bill Frisell legte noch eins zu und es klang schlimmer denn je, besser denn je. Viktor Krauss am Bass, Jim Keltner an den Trommeln wie zwei schleichende

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