Segel der Zeit
schnaubte höhnisch. Es fiel ihm schwer, dem Gespräch zu folgen, aber er klammerte sich hartnäckig an die kleinen Bruchstücke, die er verstand. Eigentlich hätte er dem Piloten sofort etwas mitzuteilen, aber er wusste nicht mehr, was es war. Hilfloser Zorn drohte ihn zu überwältigen. Am liebsten hätte er Sempeterna kurzerhand niedergeschlagen, aber er kam nicht einmal auf die Beine.
»Eine Gelegenheit, dem Heimatschutz dabei zu helfen, mir behilflich zu sein! Die werde ich sicher nicht vorübergehen lassen.«
Gonlin sprach hastig weiter. »Das Monster ist nicht nur hinter Ihnen, sondern auch hinter uns her. Ich flehe Sie an, uns hier in Ihrem Palast so lange Zuflucht zu gewähren, bis das Ungeheuer vernichtet ist.«
»Natürlich! Aber das ist doch wohl nicht alles, was Sie für die Auslieferung des Admirals von mir erwarten? Oder doch? Natürlich, Sie sind ja der berühmte Heimatschutz ⦠Nun gut!« Sempeterna drehte sich ärgerlich um. »Was gibt es denn?«
Kestrel stand neben ihm. Er trug den Papierstapel vor sich her wie einen Schild. »Es geht um die Trennung «, sagte er hastig. »Sie müssen sich das ansehen.«
»Die Trennung , sagen Sie?« Der Pilot musterte die dicke Mappe. Chaison sah, dass sie etliche Fotografien
enthielt. »Warum ist das überhaupt noch von Bedeutung? Wir haben schlieÃlich den Admiral.«
Kestrel holte tief Atem. »Die Rebellen in der Admiralität behaupten, Beweise dafür zu haben, dass der Admiral die Wahrheit sprach, was die Absichten der Falkenflotte anging. Ich habe hier eine Kopie dieser Beweise. Die Rebellen wollen mit Ihnen in Gespräche eintreten, andernfalls drohen sie, das Material zu veröffentlichen. «
Der Pilot stand volle zehn Sekunden lang wie erstarrt und lieà die Akte nicht aus den Augen. Dann nahm er sie Kestrel aus der Hand. »Was haben wir denn da?«, fragte er unbekümmert. Er schlug die Mappe auf und sah sich einzelne Bilder und Blätter an. »Aufzeichnungen ⦠aus dem Logbuch und von den Kameras der Trennung . Sehr geschickt â¦Â«
»Besonders beunruhigend sind diese Bilder, Sir.« Kestrel drehte die Fotos um, damit er sie sehen konnte.
»Männer in der Luft«, bemerkte Sempeterna verwirrt.
Die Worte trafen Chaison wie ein Schwall kalten Wassers. Er schaute zu Kestrel auf. Antonin sah ihn unverwandt an. Chaison nickte ihm mit schmalen Lippen zu.
»Die Admiralität ist der Meinung, es gebe keine Veranlassung, bei einem Manöver die Truppentransporter mit Männern zu besetzen«, fuhr Kestrel fort. »Wassersäcke würden als Ballast genügen, wenn es nur darum ginge, die Bereitschaft der Flotte zu testen. Entermanöver führe man am besten getrennt durch. Es gebe nur eine Erklärung, warum diese Männer sich dort befanden: Sie sollten tatsächlich eingesetzt werden. Bei einer richtigen Invasion.«
Schmollend sah sich der Pilot eine Weile die wichtigsten Bilder an. Endlich zuckte er die Achseln. »Das wissen Sie, und ich weià es auch«, sagte er zu Kestrel. »Aber das Volk weià es nicht. Und zurzeit geht es mir darum, was das Volk denkt. Man kann ja nicht ausschlieÃen, dass die Falkenformation ihre Soldaten bei Flottenmanövern als Ballast ⦠Wir werden uns eine gute Begründung dafür ausdenken. Es gibt keine Krise, Kestrel â jedenfalls nicht mehr, seit wir den Admiral persönlich in unserer Gewalt haben.«
Er klappte die Mappe zu und gab sie dem Seneschall zurück. Dann wandte er sich ab und sagte: »Sie versuchen schon wieder, mir meinen Triumph zu verderben. Könnten Sie sich denn nicht wenigstens einmal mit mir freuen?«
Kestrel starrte den Rücken des Piloten an, als wollte er ihn mit seinem Blick durchbohren.
»Ich hatte eben eine groÃartige Idee«, sagte Sempeterna plötzlich. »Die ganze Geschichte lässt sich zu einem hübschen kleinen Paket verschnüren, mit dem ich das Vertrauen des Volkes zurückgewinnen kann.
Wir haben heute Morgen ungewöhnlich viel Publikum«, fuhr er nachdenklich fort und spähte durch eine der klaren Scheiben im Fenster. Auch Chaison schaute hinaus. Vor der Admiralität hatten sich riesige Menschenmassen zusammengerottet â sie hingen wie fleckige schwarze Wolken in der Morgenluft. Vielleicht wollten sie sich nur den Tiefenschwärmer ansehen, aber er hatte den Verdacht, dass da mehr
Weitere Kostenlose Bücher