Segel der Zeit
dahintersteckte. Die Menschen spürten, dass die Lage sich zuspitzte. Vielleicht hatte sich herumgesprochen, dass man ihn gefangengenommen hatte.
»Es wäre ein Jammer, sie alle nach Hause zu schicken, ohne ihnen ein Spektakel zu bieten«, seufzte der Pilot. »Kestrel!« Er sah sich nach dem Seneschall um, der sich zurückgezogen hatte und fünf Schritte entfernt auf dem Marmorboden stand. »Wie gedenken Sie, mir das Ding auf meinem Dach vom Hals zu schaffen?«
Antonin runzelte die Stirn. »Wir legen Sprengladungen in die Dachtraufen unter seinen FüÃen, Majestät. Damit jagen wir es in die Luft, und dort wird es dann mit einer zielgenauen Raketensalve erledigt.«
»Ausgezeichnet. Ist es schon so weit?«
»Fast.«
»Dann machen wir jetzt Folgendes.« Der Pilot klatschte in die Hände. »Ich knalle das Ungeziefer persönlich ab.« Er zeigte mit spitzem Finger nach oben. »Vor den Augen unserer versammelten Bürger. Ich brauche einen Raketenwerfer mit Schulterrahmen und auffälligere Kleidung. Der Schuss wird von meinem Schwimmbad aus abgefeuert. Sie«, wandte er sich an Chaison, »kommen mit mir. Ihr Monster wird mich wohl kaum attackieren, wenn Sie neben mir stehen?«
Chaison zuckte die Achseln. »Es wird Sie überhaupt nicht attackieren. Es ist nämlich nicht mein Monster, und es ist auch nicht Ihretwegen hier.«
Sempeterna zog in vornehmer Verachtung eine Augenbraue in die Höhe. »Was könnte es denn sonst für ein Ziel haben?«, fragte er spöttisch.
Chaison wies auf Telen Argyre. »Eigentlich geht es ihm um sie.« Die Angehörigen des Heimatschutzes standen dicht beieinander neben einem der Pfeiler. Gonlin beobachtete Chaison und den Piloten; er hatte die Augen zusammengekniffen, konnte aber auf diese Entfernung
wahrscheinlich nicht hören, was gesprochen wurde.
»Chaison, was reden Sie denn da ?« Sempeterna lehnte sich gegen ein schlichtes Geländer unterhalb des Fensters. Er wirkte völlig entspannt und so desinteressiert, als unterhalte er sich auf einem Hofball über Delfinzucht.
»Das Monster ist ein Tiefenschwärmer, und es verfolgt schon seit Monaten nicht mich, sondern diese Frau. Sie ist kein Mensch. Sie kommt von auÃerhalb .«
»Ach so? Wie diese interessante junge Dame, die einmal für Sie tätig war ⦠Wie hieà sie doch noch? Mahagoni? «
»Mahallan. Aubri Mahallan. Ganz recht, Sir. Dieses Wesen stellt eine akute Bedrohung für Virgas Sicherheit dar. Ich weiÃ, das klingt lächerlich, aber â¦Â«
Der Pilot hob die Hand, wandte sich dem Fenster zu und sagte ganz ruhig: »Sie sollten mich nicht für dumm halten, Chaison. Mir ist klar, dass ich der Aufmerksamkeit eines Tiefenschwärmers nicht würdig bin, und Sie mögen ja manches sein, aber ein Zauberer, der Monster aus der Tiefe beschwört, sind Sie nicht. Ich danke Ihnen, dass Sie mir gezeigt haben, worauf das Wesen es wirklich abgesehen hat. Ich werde veranlassen, dass man sich der Frau annimmt.«
Chaison drehte sich ebenfalls um, so dass er dem Heimatschutz â und Telen â den Rücken zuwandte und warnte: »Ich glaube nicht, dass Ihre Artillerie dafür stark genug ist, Sir.«
»Wenn ich einen Tiefenschwärmer töten kann, dann kann ich auch sie töten. AuÃerdem bleibt mir gar nichts anderes übrig, als das Risiko einzugehen«, murrte Sempeterna
und verzog das Gesicht. In diesem Moment zeigte er sich von einer Seite, die Chaison niemals vermutet hätte. Hier stand ein kluger, berechnender Mensch, der sich jeden seiner Züge genau überlegte. Chaison hatte fast vergessen, dass zwischen dem ÃuÃeren und den Worten eines Menschen und seinen Handlungen manchmal Welten lagen â und dieser Pilot hielt sich schon seit vielen Jahren an der Macht.
»Das Volk braucht sein Spektakel, und ich will, dass dieses hässliche Intermezzo endlich beendet wird«, fuhr der Pilot fort. »Sie sind eines der Opfer, und dieser Schwärmer wird wohl das zweite werden. Das lässt sich nun einmal nicht ändern.«
Er drehte sich um, legte die Arme hinter sich um das Geländer und rief: »Kestrel! Sorgen Sie dafür, dass alles bereit ist. Man soll den Menschen mitteilen, dass ein groÃes Ereignis bevorsteht.«
»Sehr wohl, Majestät.« Kestrel machte kehrt und verlieà mit ausdruckslosem Gesicht die Empfangshalle.
»Sobald der
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