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Segel der Zeit

Segel der Zeit

Titel: Segel der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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Schwärmer tot ist, gebe ich bekannt, dass ich Sie in meiner Gewalt habe«, sagte Sempeterna zu Chaison. »Ich werde den Leuten weismachen, Sie hätten das Ungeheuer aus den Tiefen des Winters gerufen und ihm befohlen, mich anzugreifen, und ich persönlich hätte Sie gefangengenommen und das Monster erledigt. Das müsste dem Pöbel für eine Weile das Maul stopfen. Mit der Admiralität werde ich mich schon einigen. Wer weiß? Vielleicht lasse ich Sie am Ende sogar am Leben, falls man dort darauf bestehen sollte. Aber dieses Ding«, er nickte zur Trennung hinüber, »wird auf jeden Fall verschrottet.«

    Chaison nickte, aber er hörte schon gar nicht mehr hin. Er beobachtete Gonlin, Telen und die übrigen Leute vom Heimatschutz. Die Menschen waren in ein Gespräch vertieft und beachteten Sempeterna ebenso wenig wie er sie. Telen Argyre stand einfach breitbeinig da und starrte ins Leere – wenn sie nicht einfach durch das Mauerwerk etwas betrachtete, das für bloße Sterbliche unsichtbar war.
    Chaison war sicher, dass der Pilot sie gefährlich unterschätzte. Wie sollten menschliche Waffen eine Wirkung auf etwas haben, das in den nahezu allmächtigen Schmieden der Künstlichen Natur gefertigt worden war?
    Heute würde viel Theater gespielt werden, aber es wäre auch nicht mehr als das – eine Nebenhandlung. Der einzige Akteur, auf den es wirklich ankam, stand mit leerem Blick da und wartete auf seinen Auftritt. Wenn der Schwärmer zerstört oder auch nur vorübergehend außer Gefecht gesetzt war, würde die falsche Telen sich zu erkennen geben – sie würde den Schlüssel zu Candesce ausfindig machen, ihn an sich bringen und sich dann der Ersten Sonne selbst zuwenden.
    Der Pilot grinste, löste seine Arme vom Geländer und klatschte in die Hände.
    Â»Dann mal los!«, rief er. »Sie, Kestrel, treffen die nötigen Vorkehrungen, um dieses lästige Monster in die Luft zu jagen. Ihr« – er zeigte auf einige Gardisten – »bringt den Admiral in eine angemessene Unterkunft. Was mich betrifft«, er untersuchte seine Fingernägel, »ich muss mir das richtige Kostüm für die Vorstellung aussuchen.«

    Die Zeit schleppte sich dahin. Chaison ging in der Suite – eigentlich war es nur eine bessere Zelle –, in die man ihn gebracht hatte, auf und ab. Er dachte an Venera – fragte sich, ob sie am Leben war, und wenn ja, ob sie sich hier in der Stadt aufhielt. Das Monster in der Gestalt von Telen Argyre hatte sie zu seinem nächsten Ziel ausersehen, und er war schuld daran. Er hätte sich dagegen wehren müssen; er musste immer und immer wieder daran denken, wie es in die geheimsten Winkel seines Bewusstseins eingedrungen war.
    Leises Hämmern schallte durch den Palast. Entweder reparierte man das Dach oder, was wahrscheinlicher war, man tat nur so, um darunter die Sprengladungen anzubringen. Er hätte es so gemacht. Aber inzwischen waren drei Stunden vergangen, seit ihn der Pilot hierhergeschickt hatte, und er hatte noch nicht gehört, wie es weitergehen sollte. Vielleicht hätte er den Piloten anflehen können, ihn am Leben zu lassen, aber er hatte die Chance vertan. Jetzt waren ihm alle Entscheidungen aus den Händen genommen, und das war eine köstliche Ironie, denn allmählich lichtete sich der Nebel aus Schmerz und Schock, der seit letzter Nacht über seinem Geist gelegen hatte.
    Was Antaea Argyre anging – er schwankte, ob er auf sie schießen sollte, sobald er sie sah, oder ob er auf ihre verwegene Flucht vor Gonlin und seinen Leuten stolz sein sollte. Vielleicht war es ihr tatsächlich vollkommen gleichgültig, was aus ihm wurde, und sie war einfach nur davongelaufen, aber das bezweifelte er. Immerhin war sie die Spezialagentin des Heimatschutzes hier vor Ort. Sie führte sicherlich etwas im Schilde. Die entscheidende Frage war, ob sie herausgefunden hatte, was aus
ihrer Schwester geworden war. Oder ob sie nach wie vor alle ihre Energien darauf verwandte, Telen zu befreien, nur um selbst aufs Neue in die Falle zu geraten.
    Jemand klopfte an die Zellentür. Ein Diener stand vor dem Fensterchen. »Entschuldigen Sie, Sir«, sagte er in starkem Akzent. »Man hat mich beauftragt, Ihnen einen Imbiss zu bringen. Darf ich eintreten?«
    Die Ironie der Situation lenkte Chaison ein wenig von seiner Verzweiflung ab. »Nur zu«, sagte er. »Ich habe weiter

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