Segel der Zeit
verstopfte Verkehrsader ein, die von den Habitaträdern, dem Bunker â und hoffentlich auch von den Gretel wegführte.
Das Triebwerk brummte beruhigend; sogar Dariusâ und Richards Gezänk entlockte Chaison ein Lächeln. Er konnte sich endlich ein wenig entspannen. »Ob wir damit wohl nach Hause kommen?«, fragte er, ohne sich an jemand Bestimmten zu wenden.
Die Gretel waren buchstäblich scharenweise in die aufgebrochene Zirkuskugel geströmt, als Darius und Richard mit blutigen Schwertern von der anderen Seite kamen. »Seien Sie mir gegrüÃt, mein Freund!«, hatte Richard gerufen. Chaison war nahezu allein, er hatte die letzten Bürger von Stonecloud in eine Reihe von halbwegs gut zu verteidigenden Räumen geschickt. Er
konnte nur hoffen, dass die Gretel nicht allzu viele Exempel statuieren würden, aber für die Habitatbewohner war es jedenfalls besser, auf Verhandlungen zu setzen, anstatt ihr Heil in der Flucht durch den offenen Luftraum zu suchen. Chaison wusste, wie nervös die Heckschützen auf militärischen Kreuzern zu sein pflegten.
»Das Schiff ist voll aufgetankt, Admiral«, antwortete Darius, ohne sich umzusehen. »In der anderen Gondel gibt es sogar Schlafsäcke.«
Diese Gondel maà etwa sechs auf zwei Meter, sie bestand aus dünnem Riffelblech und war in zwei Räume unterteilt. Die Nase war aus durchsichtigem Plastik, und dahinter gab es mehrere Bullaugen. In der Nase befand sich die Pilotenwanne, der Ort, an dem gegenwärtig der arme Richard Reiss abwechselnd schwitzte und fluchte.
Eine quadratische Tür trennte die beiden Abteile voneinander. »Was ist da drin?«, fragte Chaison und deutete mit dem Daumen auf den hinteren Raum.
Richard sah sich um und grinste. »Ein Geschenk für Sie, verehrter Herr«, sagte er. »Ich denke, Sie werden ziemlich überrascht sein.«
Chaison kniff die Augen zusammen, aber Richard war gegen den arroganten Aristokratenblick, der bei niederen Dienstgraden so wirkungsvoll war, völlig immun. »Ich kann mir nicht vorstellen, womit Sie mich nach dieser Rettungsaktion noch überraschen könnten«, bemerkte er und schob sich auf die Luke zu. Dabei achtete er darauf, stets mindestens eine Hand und einen Fuà am Rumpf zu behalten; Richards Flugmanöver waren unberechenbar.
»Sehen wir uns das âºGeschenkâ¹ doch einmal an«, sagte er und öffnete die Luke, nur um sie mit einem Fluch sofort wieder zuzuschlagen.
Antaea starrte ihn an. »Was ist?«
Chaison zog die Luke ein zweites Mal auf. Zwischen Treibstoff-Fässern und Vorratskisten hockte Antonin Kestrel. Er war verschnürt wie ein Paket und schaute anklagend über den öligen Lappen hinweg, den man ihm in den Mund gestopft hatte.
»Ich finde das nicht komisch«, erklärte Chaison. Richard und Darius kicherten wie zwei Schuljungen. Chaison zwängte sich in den engen Raum und zog Kestrel den Knebel aus dem Mund. »Hallo, alter Freund!«
»Freund!« Kestrel funkelte ihn empört an. »Du hast keine Freunde mehr, Fanning. Nur bedauernswerte Opfer.«
»⦠Dann lassen Sie mich ans Steuer!«, hörte man Darius rufen. Chaison sah nach hinten. Richard und Darius tauschten gerade die Plätze. Hinter der Scheibe schwebten vereinzelte Gebäude und ein brennendes Wäldchen über den blauen Himmel.
»Sind wir drauÃen?«, rief Chaison.
»Ja!« Darius winkte ihm mit einer Hand zu und übernahm mit der anderen den Steuerknüppel. Richard warf sich in die Brust. »Ich habe uns rausgebracht, Admiral«, strahlte er.
Chaison drängte sich an Kestrel vorbei und drückte die Nase gegen ein Bullauge. Stonecloud war nur noch ein Trümmerfeld aus Mauerwerk und Wald, das sich in Zeitlupe über den Himmel ausbreitete. Vor ihren Augen bohrten sich Neverlands lange Klauen in die Vororte. Da und dort sah der Admiral Gewehrfeuer aufblitzen,
doch was da drin wirklich vorging, war auf diese Entfernung und bei dem dichten Rauch nicht zu erkennen. Dann flog der Katamaran in eine Wolke ein, das Bild schwankte und verschwand schlieÃlich hinter weiÃen Schleiern.
Chaison zerriss es das Herz. Er hatte Recht behalten: die Stadt war nicht zu retten gewesen. Corbus hätte sich friedlich ergeben sollen, bevor Menschen getötet wurden, und wenn Chaison ein besserer Diplomat gewesen wäre, hätte er ihn vielleicht dazu überreden können.
Stonecloud war
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