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Segel der Zeit

Segel der Zeit

Titel: Segel der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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nicht als ausgewachsenen Krieg, denn Mavery hatte den Streit angefangen, indem es mehrere Raketen ins Herz von Rush abfeuerte. In Slipstream wusste kaum jemand, dass die Falkenformation Mavery dazu angestiftet hatte.
    Â»Ha!«, unterbrach Kestrel an dieser Stelle Richards Erzählung. »Die erste Lüge!«
    Â»Ich lege die Fakten lediglich so dar, wie ich sie sehe«, erklärte Richard hoheitsvoll. »Bei Ihnen klingt die Geschichte natürlich anders.«
    Â»Unbedingt«, nickte Kestrel und stemmte sich gegen seine Fesseln. »Die Wahrheit ist, dass die Falken nie die Absicht hatten, Slipstream zu überfallen. Ihre Flotte hatte für diesen Tag nur die regulären Manöver angesetzt. «
    Â»Natürlich«, bemerkte Chaison trocken. »Und weil es sich nur um eine Übung handelte, war es unbedingt erforderlich, die Truppentransporter mit Männern zu füllen – als … Ballast?«

    Kestrel grinste höhnisch. »In den Truppentransportern waren keine Männer.«
    Chaison schloss die Augen. Er sah deutlich vor sich, wie einer der Falken-Transporter unter Raketenfeuer geborsten war und Menschen in alle sechs Himmelsrichtungen verstreut hatte. Für einen Moment – allenfalls für wenige Sekunden – war die Krähe unter seinem Kommando mit mehr als dreihundert Stundenkilometern durch eine Wolke zappelnder menschlicher Gestalten geschossen. Er wünschte, er könnte vergessen, wie die Körper, riesigen Hagelkörnern gleich, gegen den Rumpf der Krähe geprasselt waren.
    Â»Weiter«, forderte er Richard Reiss auf.
    Der Kapitän der Trennung hieß Martin Airgrove, und man munkelte, er hätte dieses Schiff nur bekommen, weil die beiden sich so ähnlich waren. Airgrove war klein, breit und ständig schlecht gelaunt. Außerdem kannte ihn Chaison als loyalen Untertan, und das war in dieser Situation besonders abwegig. Er hätte jederzeit und voller Stolz sein Leben für den Piloten hingegeben und war davon ausgegangen, genau das tun zu müssen, als er sich Chaisons Expeditionstrupp anschloss.
    Chaison hatte den Kapitänen der sieben Schiffe erklärt, der Pilot hätte ihre geheime Expedition genehmigt. Tatsache war, dass der Pilot sie verboten hatte. Er glaubte nicht an einen bevorstehenden Angriff der Falken.
    Chaison dagegen schon.
    Â»Zumindest in diesem Punkt bleibst du bei der Wahrheit«, sagte Kestrel. »Du hast gegen den ausdrücklichen Wunsch des Piloten gehandelt. Das ist Hochverrat.«

    Â»Hochverrat wäre gewesen, tatenlos zuzusehen, wie die Falkenformation mein Land überfiel«, widersprach Chaison. Kestrels Vorwürfe kränkten ihn doch.
    Die Trennung war in einer Rauchwolke zum Stehen gekommen und hatte Airgrove und seine ranghöchsten Offiziere ausgespuckt. Die waren schnurstracks zur Admiralität marschiert. »Damit hielten sie sich streng an das Protokoll«, erklärte Richard, »und diese Entscheidung rettete ihnen das Leben. Die jüngeren Offiziere hatten dafür plädiert, die Nachricht dem Piloten direkt zu überbringen; wären sie zuerst zum Palast gegangen, sie hätten ihn nicht wieder verlassen.«
    Stattdessen hatte Airgrove die Amtsräume der Admiralität betreten und die Führung informiert, bevor der Pilot überhaupt von seiner Rückkehr erfuhr. Währenddessen hatte sich die Besatzung der Trennung über Rushs Luftwege und Straßen verteilt. Was die Männer erzählten, war so ungewöhnlich und so eindrucksvoll, dass es sich bis zum Anbruch der Nacht bereits durch die ganze Stadt verbreitet hatte.
    Richard wollte nun auf die Ereignisse innerhalb der Admiralität zu sprechen kommen, doch Kestrel unterbrach ihn. »Ich war dabei«, sagte er. »Der Pilot hatte mich geschickt. Ich sollte in Erfahrung bringen, worum es bei dem ganzen Aufruhr ging. Als ich den Besprechungsraum betrat, lag Airgrove halb ohnmächtig auf dem Podium und hundert Führungsoffiziere und Konteradmiräle lasen ihm jedes Wort von den Lippen ab. Er beschrieb gerade eine Schlacht, und auch ich war zunächst begeistert von der Tapferkeit und vom Einfallsreichtum unserer Männer. Wir hatten gesiegt! Ich war stolz. Stolz!« Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Doch
dann wurde ich allmählich stutzig – in Airgroves Beschreibung fiel immer wieder der Name Falkenformation . Nicht Mavery , nicht … irgendein anderes denkbares Land. Der Kampf, den er

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