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Segel der Zeit

Segel der Zeit

Titel: Segel der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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ein unvollendeter Satz, eine unterbrochene Entschuldigung. Chaison wünschte sich, er könnte in der Zeit zurückgehen, um alles ungeschehen zu machen, was sich in den letzten Stunden ereignet hatte.
    Im vorderen Raum schnallte sich Richard Reiss, der ehemalige Botschafter in Gehellen, zufrieden in einen Sitz. Chaison suchte stirnrunzelnd nach einem anderen Ziel, auf das er seinen Blick richten konnte. Er drehte den Kopf und sah, dass Kestrel ihn beobachtete.
    Â»Ich frage mich, Chaison«, bemerkte der Seneschall sanft, »ob das ein Probelauf war? Eine Vorübung für die nächste Etappe?«
    Fanning schüttelte benommen den Kopf. »Nächste Etappe? Wovon redest du?«
    Kestrel nickte zur Pilotenkanzel hin. »Das Boot hat genügend Treibstoff für mehrere Tage. Zweifelst du daran, dass uns der Junge auf schnellstem Weg in den Winter fliegt?
    Und von dort geht es schnurstracks nach Slipstream.«

TEIL DREI
Der Pilot

13
    Â»Er hat Recht«, sagte Richard Reiss. »Wenn wir die anderen retten wollen, dürfen wir keine Zeit verlieren.«
    Â»Welche anderen?« Chaison wandte sich wieder an Kestrel. »In Songly hattest du die Trennung erwähnt …«
    Â»Du wirst mir nicht einreden, dass du nicht längst Bescheid weißt.« Kestrel drehte den Kopf zur Seite und schloss die Augen.
    Chaison kletterte durch die Luke und war kurz in Versuchung, sie vor Kestrel und seiner selbstgefälligen Visage zuzuknallen. »Ja, die Trennung «, lächelte Richard und legte Chaison wie einem klugen Schuljungen anerkennend die Hand aufs Knie. »Nur darum geht es doch die ganze Zeit.«
    Chaison nickte ratlos in Richtung Rumpf. »Sie meinen, die …«
    Â»Nein, nein, nicht die Invasion der Gretel, obwohl auch die mittelbar dadurch ausgelöst worden sein könnte. Ich meine Kestrel, unsere Gefangenschaft – und die Tatsache, dass der Pilot uns einfach aufgegeben hat! Wir haben die Geschichte aus Kestrel herausgeholt, während wir nach Ihnen suchten.«
    Antaea setzte sich zu ihnen. Sie gab sich alle Mühe,
Chaisons Blick auszuweichen. »Aber wie sind Sie denn überhaupt an Kestrel gekommen?«
    Â»Ach, das?« Richard tat die Frage mit einer lässigen Handbewegung ab. »Das ist eine andere Geschichte.«
    Â»Die aber sicherlich interessant wäre …«
    Chaison schüttelte den Kopf. »Ich will hören, was es mit der Trennung auf sich hat. Und was gerade zu Hause vorgeht.«
    Antaea zog sich diskret in die Pilotenkanzel zurück.
    Â»Nun«, begann Richard genüsslich, »dann passen Sie mal gut auf …«
    Â»Wieder mal eine Propagandaübung!«, rief Kestrel.
    Richard zuckte die Achseln und begann zu erzählen.
    Â 
    Die Trennung war wahrscheinlich das hässlichste Schiff in der Slipstream-Flotte. Chaison hatte sich mehrmals gefragt, ob er sie nicht einfach aus Verlegenheit für seine Expedition ausgewählt hatte – um sie vom Dienstplan für die Schlachten zu streichen, die mehr beachtet wurden. Sie hatte die Form eines Zapfens, nur etwas mehr als zwanzig Meter lang, dabei aber zwölf Meter breit. Die Außenhülle bestand aus Stahl und Beton und hatte kaum Bullaugen, dafür aber reichlich Geschützpforten. Die Triebwerke klebten wie Parasiten in einem Blutgefäß an der Innenwand eines Schachts, der durch die Schiffsmitte führte; dort waren sie so gut geschützt, dass sie nur durch einen gezielten Schuss von vorn oder hinten zu zerstören waren, und falls es wirklich ernst wurde, konnte man die Enden dieses Schachts mit riesigen Schotts verschließen.
    Diese Eigenschaften machten die Trennung zu einem guten Blockadeschiff, und sie waren auch der Grund,
warum sie überhaupt noch existierte. Sie war kurz nach Chaisons Überraschungsangriff in den Hafen zurückgehumpelt – über und über mit schwarzen Narben bedeckt und gefolgt von dichten Qualmwolken. Da es gegen Abend ging, hatten Rushs Bürger sie schon von weitem gesehen und sich Fahnen schwenkend in der Luft versammelt, um Spekulationen auszutauschen. Von einigen wurde sie sogar mit jubelnden Trompetenstößen begrüßt. Man nahm allgemein an, sie sei ein Teil der Hauptflotte, die Wochen zuvor ausgezogen war, um Rushs anderen Nachbarn Mavery anzugreifen. Die kleine Nation galt nicht als schwere Bedrohung, und man betrachtete den Einsatz der Flotte in diesem Fall eher als Antwort auf eine Kränkung und

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