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Seherin von Kell

Seherin von Kell

Titel: Seherin von Kell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
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morgen wieder stehlen können.
    Aber…
    Wir müssen uns noch über etwas anderes unterhalten, Garion. Hast du dir bereits Gedanken über deinen Nachfolger gemacht?
    Nun – ja. Aber es ist eigentlich keiner wirklich dazu geeignet, verstehst du.
    Und du hast jeden ernsthaft erwogen?
    Ich glaube schon, aber ich konnte mich einfach noch nicht entscheiden.
    Du sollst deine Wahl auch noch nicht treffen. Hauptsache ist, daß du über jeden einzelnen gut nachgedacht und sie alle fest im Kopfhast.
    Wann treffe ich dann meine Wahl?
    Im letztmöglichen Augenblick, Garion. Zandramas ist vielleicht imstande, deine Gedanken zu lesen, aber sicher nicht das, was du selbst noch nicht entschieden hast.
    Und wenn ich einen Fehler mache?
    Ich glaube wirklich nicht, daß du das kannst, Garion.
    Garion schlief in dieser Nacht sehr unruhig. Seine Träume waren wirr, und er wachte sehr oft auf, um sogleich wieder unruhig wei-terzuschlafen. Zuerst war da eine Art verzerrte Rekapitulation der seltsamen Träume, die ihn in jener so lange zurückliegenden Nacht auf der Insel der Stürme gequält hatten, bevor sich sein Leben unwiderruflich änderte. Die Frage: »Bist du bereit?« hallte immer wieder durch die Korridore seines Geistes. Erneut stand er Rundorig gegenüber, während der nüchterne Befehl Tante Pols, seinen Kind-heitsfreund zu töten, in seinem Geist dröhnte. Und dann war da der Keiler im tiefen Schnee des Waldes außerhalb von Val Alorn, der wütend im Schnee scharrte und in dessen Augen Haß funkelte. »Bist du bereit?« fragte Barak, ehe er die Bestie losließ. Dann stand er auf der farblosen Ebene, umgeben von den Figuren des unbegreiflichen Spieles, und überlegte verzweifelt, mit welcher er einen Zug machen sollte, während ihn die Stimme in seinem Geist zur Eile drängte.
    Der Traum veränderte sich leicht und wurde noch sonderbarer.
    Egal, wie bizarr unsere Träume auch sein mögen, sie sind doch vertraut, da sie aus unserem Geist kommen und von ihm geformt werden. Nun dagegen hatte Garion das Gefühl, als würden seine Träu-me von einer anderen, unfreundlichen Bewußtheit geformt, auf ähnliche Weise, wie Torak sich vor der Begegnung bei Cthol Mishrak in seine Träume und Gedanken eingeschlichen hatte.
    Wieder stand er dem Murgo Asharak in dem lehmigen Wald der Dryaden gegenüber, und wieder benutzte er die Macht seines Willens mit diesem einen Schlag mit der offenen Hand und dem tödlichen Wort »Brenn!« Das war ein vertrauter Alptraum, der jahrelang Garions Schlaf gequält hatte. Er sah, wie Asharaks Wange zu versengen und zu rauchen anfing. Er hörte den Grolim schreien und sah ihn nach seinem brennenden Gesicht greifen. Er vernahm das verzweifelte Flehen. »Herr, habt Erbarmen!« Er verschloß sich dem Flehen und verstärkte die Flamme, doch diesmal überlagerte kein Abscheu vor seinem Tun den Traum, wie es bisher immer der Fall gewesen war, sondern eine Art grausame Begeisterung, eine gräßliche Freude, während er zusah, wie sein Feind vor seinen Augen litt und verbrannte. Tief in ihm schrie etwas auf und versuchte diese abscheuliche Freude zu vertreiben.
    Und dann war er wieder in Cthol Mishrak, und aufs neue drang sein Flammenschwert in den Körper des Einäugigen Gottes. Toraks verzweifeltes: »Mutter!« erfüllte ihn diesmal nicht mit Mitleid, sondern mit ungeheurer Befriedigung. Er spürte, wie er lachte, und dieses wilde, mitleidlose Gelächter löschte seine Menschlichkeit aus.
    Garion wich entsetzt zurück und schrie lautlos vor Entsetzen, nicht so sehr wegen dieser schrecklichen Bilder von jenen, die er getötet hatte, sondern wegen seiner Schadenfreude über ihre Verzweiflung und Todesqual.

    21

    llewirkten ernst, als sie vor Tagesanbruch am nächsten Morgen Ain der Kajüte zusammenkamen. Aus plötzlicher, ganz überraschender Erkenntnis wußte Garion, daß Alpträume alle gequält hatten. Intuitive Wahrnehmung war Garion fremd. Seine vernunftbe-tonte sendarische Erziehung lehnte dergleichen als fragwürdig, ja auf seltsame Weise sogar als unsittlich ab. Steckst du dahinter? fragte er die Stimme.
    Nein. Erstaunlicherweise bist du ganz allein darauf gekommen. Offenbar machst du Fortschritte – langsam natürlich, aber immerhin Fortschritte.
    Danke.
    Nichts zu danken.
    Silk wirkte besonders mitgenommen, als er die Kajüte betrat. Die Augen des kleinen Mannes waren verstört, und seine Hände bebten.
    Er ließ sich auf eine Bank fallen und vergrub das Gesicht in den Händen. »Ist noch was von Eurem

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