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Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)

Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liv Winterberg
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dann kam noch ein Pferd vom Himmel herab mit silbernem Sattel, das hat mich mitgenommen.« Er nickte heftig, bückte sich, hob den Treibstecken auf und hielt ihn Mathis hin. »Wenn du jetzt gesund bist, dann können wir uns wieder zusammen um die Schafe kümmern, ja? Im Mai entwöhnen wir die kleinen Lämmer, die im Winter geboren wurden, und dann melken wir die Mutterschafe. Hmm, das wird lecker, wenn wir wieder Käse machen.«
    Bevor Mathis etwas erwidern konnte, sei es zu dem himmlischen Weggefährten oder zu den irdenen Plänen, gemeinsam die Schafe zu versorgen, sprang Avel
     weiter. Ein Kind im Körper eines Mannes. Mathis seufzte auf. Vielleicht kein schlechtes Los, die eigene Unzulänglichkeit nicht erkennen zu können, sondern glücklich in den Tag hineinzuleben. Erschrocken hielt er inne. Jetzt gehst du zu weit, schalt er sich.
    Inzwischen hatte Mathis Pfarrer Jeunet erreicht, der die herzliche Begrüßung offenbar verfolgt hatte. »Ja, unser von Gott geliebter Avel«, sagte er und lächelte. »Ein jeder hat seinen Platz in Gottes Gemeinde. Schön, dich wieder bei uns begrüßen zukönnen. Wir haben für deine Genesung gebetet.« Er legte die Hand auf Mathis’ Schulter und führte ihn in die Kirche.
    Rechter Hand standen die Frauen und Kinder, linker Hand die Männer. Alle Blicke wandten sich ihnen zu, und die Männer rückten näher zusammen, sodass ein Schemel sichtbar wurde, der zwischen ihnen stand.
    Sie haben einen Schemel in die Kirche gebracht, damit ich mich setzen und mein Bein ausstrecken kann. Mathis spürte, dass sein Magen sich ob des Mitleids zusammenzog. Es widerstrebte ihm, Platz zu nehmen. Den Kopf gesenkt, setzte er sich.
    Pfarrer Jeunet nahm ihm den Treibstecken ab, legte ihn zu seinen Füßen auf den Boden und flüsterte ihm zu: »Mein Sohn, und wenn dir die Kraft fehlt, dann bleibst du die gesamte Messe über sitzen, ja?«
    »Vielen Dank, Pfarrer Jeunet«, murmelte Mathis. Als er den Kopf hob, schauten alle zu ihm herab. Er konnte Catheline ausmachen, die ihm ein Lächeln zuwarf.
    Er musste mit ihr reden, bald schon. Die Zeiten waren andere. Auch er hatte seinen Platz in Gottes großer Gemeinde. Aber es war ein anderer Platz als bisher, es war der des Dorfkrüppels.

Schloss Troyenne bei Saint Mourelles
    D ie Kälte fuhr Bérénice unter den Umhang, als sie das Portal aufschob und den Schlosshof betrat. Sie fröstelte und war versucht umzukehren, um sich in ihr Gemach zurückzuziehen, das, vom Kaminfeuer gewärmt, auf sie wartete. Doch ihr blieb keine Zeit für Müßiggang am helllichten Tag. Kurz sah sie zum Tor hinüber. Dort drängten sich die mit Körben,Käfigen und Beuteln beladenen Händler und Lieferanten, die zu Fuß zum Schloss gekommen waren. Zufrieden bemerkte Bérénice, dass die Wachen sich von den schiebenden Menschenleibern, den Flüchen und Zurufen bei den Kontrollen nicht beirren ließen.
    Auf der Zugbrücke reihten sich die Fuhrwerke der Händler, die größere Lieferungen heranschafften. Ein Wagen stand bereits im Hof. Während der Händler sich mit dem Küchenmeister besprach, kümmerte sich der Knappe um das Pferd, damit es im heillosen Durcheinander und Lärm nicht scheute. Die beiden Männer schlugen die Plane zurück und begutachteten zwei Schweine und ein halbes Rind. Mit einem Mal verbeugten sie sich tief, sichtbar überrascht, dass Baron Amédé de Troyenne höchstselbst die Lieferung in Augenschein nahm. Die Geste ihres Gatten ließ Bérénice erahnen, dass er sich nicht mit Formalitäten aufhalten, sondern mit den Vorbereitungen des Neujahrsfestes vorankommen wollte. Kurz musterte er das Vieh, und als er nickte, entluden Knechte den Wagen.
    Amédé schritt auf das nächste Fuhrwerk zu, das in den Hof hineindrängte. Auf der Ladefläche standen Weinfässer dicht an dicht. Auch wenn Amédé gut und
     gern dreißig Gäste geladen hatte, erkannte Bérénice sofort, dass es zu viel Wein war. Niemals würde die Festgesellschaft all diese Fässer leeren können. Aber es war sinnlos, sich darüber zu ärgern. Zu gern gab Amédé den Gastgeber, zu gern lud er an Tische, die sich unter der Last der Speisen und Getränke bogen.
    In Kürze würden die ersten Gäste eintreffen, und bis dahin musste sie einen Blick in die Gastgemächer geworfen und sich davon überzeugt haben, dass alles hergerichtet war. Dass die Böden gewischt, die Betten frisch gemacht, die Feuer in den Kaminen geschürt, die Krüge jeweils mit Wein und Wasser gefüllt waren. Sie raffte ihr Kleid

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