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Sehnsucht der Unschuldigen

Sehnsucht der Unschuldigen

Titel: Sehnsucht der Unschuldigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Kreuz erwähnte Jim mit keinem Wort. Im nachhinein war es für ihn das Allerschlimmste. »Sie haben die ganze Zeit geschrien, er hätte die Frauen auf dem Gewissen, aber das stimmt nicht.«
    »Dasselbe haben sie von meinem Daddy behauptet. Aber er war es genausowenig.«
    »Einer muß es aber gewesen sein. Vielleicht sogar einer, den wir gut kennen.«
    »Bestimmt sogar.«
    »Cy?«
    »Ja?«
    »Als ich diesen John Thomas Bonny bluten sah, da hat sich mir fast der Magen umgedreht. Mir will nicht in den Kopf, daß es Menschen gibt, die immer wieder zustechen können und denen das auch noch Spaß macht. Die müssen irgendwie verrückt sein.«
    »Da hast du wohl recht.« Cy mußte an die Augen seines Vaters denken. Hatte er sich nicht im nachhinein gesagt, er wisse nun alles über den Wahnsinn? Doch er wollte sich nicht schon wieder mit diesen gräßlichen Szenen quälen. Er kramte in seinen Taschen nach Kleingeld. »Hast du Lust aufs Kettenkarussell?«
    »Au ja! Wer als letzter hinkommt, kauft die Karten.«
    Unter Kriegsgeheul rannten die beiden los, um jäh stehenzubleiben. Wie aus dem Boden gestampft, stellte sich Vernon Cy in den Weg.
    »Du läßt es dir ja gut gehen, Kleiner!«
    Cy starrte seinem Bruder ins Gesicht, in dem sein Vater weiterzuleben schien. Wie bei Austin war es eine Fratze der Wut. Seine Augen waren glasig und drückten zugleich eine Kälte und Härte aus, daß Cy unwillkürlich zusammenzuckte. Er hatte Vernon seit Austins Beerdigung nicht mehr gesehen. Dort hatte sein Bruder ihn kein einziges Mal angesprochen, sondern ihn nur immer über das offene Grab hinweg mit finsteren Blicken geradezu durchbohrt.
    Die Lichter schienen Cy plötzlich das Gesicht zu versengen und den Rest von Innocence in Dunkelheit zu tauchen.
    »Was tu’ ich denn?«
    »Du tust immer was! Hast dir ja klammheimlich einen Job auf Sweetwater verschafft, verplemperst deine Zeit mit Niggern und scherst dich nicht drum, daß sie weiße Frauen umbringen. Selbst deine Schwester ist dir scheißegal! Du bist ja jetzt was Besseres.«
    »Jim ist mein bester Freund!« Cy hielt Vernons Blick stand, obwohl ihm klar war, daß es gleich wieder Hiebe hageln würde.
    Und weil sie Brüder waren, würde sich niemand einmischen.
    »Wir haben nichts getan!«
    »Es reicht, daß du dich mit Niggern rumtreibst. Am Ende hast du noch Edda Lou zu ihnen gelockt. Du hast ja auch Daddys Tod auf dem Gewissen!« Vernon packte Cy erregt am Hemd.
    »Ich hab’ überhaupt niemanden umgebracht!« schrie Cy.
    »Daddy wollte Miss Caroline was antun, da hat sie in Notwehr geschossen!«
    »Du schmutziger kleiner Lügner!« Vernon gab ihm mit der linken Hand eine schallende Ohrfeige, daß dem Jungen schwarz vor Augen wurde und Blut aus seiner Nase tropfte. »Du hast ihn verraten, und sie haben ihn wie einen Hund abgeknallt. Mit ihrem schmutzigen Geld haben sie das bloß vertuscht. Hältst du mich für blöd oder was? In dir steckt der Satan, Kleiner. Jetzt, wo Daddy tot ist, habe ich die Pflicht, ihn dir auszutreiben.«
    Vernon holte zum nächsten Schlag aus. In diesem Moment sprang Jim los und klammerte sich mit beiden Händen an seinen Arm. Zu zweit waren sie dem Bären von Mann noch immer nicht gewachsen, doch mußte Vernon Cy loslassen, wollte er den anderen abschütteln. Kaum hatte er Cy wieder gepackt, heftete Jim sich erneut an ihn und bearbeitete seinen Rücken mit Faustschlägen.
    »Renn, was du kannst, Cy! Ich hab’ ihn!«
    Aber Cy rannte nicht weg. Er schüttelte sich nur kurz und wischte sich das Blut unter der Nase weg. Er glaubte in diesem Moment, Jims Bemerkung von dem Dröhnen in den Ohren zu verstehen. Er wußte nur nicht, ob das Rauschen vom Schlag kam oder vom Blut, das in seinen Schläfen toste. »Ich laufe nicht weg!« schrie er und ballte die blutverschmierten Fäuste.
    Grinsend schüttelte Vernon Jim ab. »Du kleiner Hosenscheißer willst es wohl mit mir aufnehmen, was?«
    »Ich laufe nicht weg«, wiederholte Cy mit leiser Stimme. Er wischte sich mehr Blut aus dem Gesicht. Sein ganzes Leben war er vor seinem Vater weggelaufen. Aber jetzt wollte er sich stellen. Der letzte Rest seiner Unschuld war verschwunden. Er war nun ein Mann. »Ich laufe nicht weg. Und du hast mich zum letzten Mal verprügelt.«
    Immer noch grinsend breitete Vernon beide Arme aus. »Du willst dich mit mir anlegen? Nur zu, Kleiner. Danach erlebst du aber dein blaues Wunder.«
    Cys Faust schoß nach vorne. Später sollte er sich fragen, ob das wirklich er gewesen war. Denn der

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