Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sehnsucht der Unschuldigen

Sehnsucht der Unschuldigen

Titel: Sehnsucht der Unschuldigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
Vom Netzwerk:
hinaufstarrte. Schweigend stand sie auf und ging. Zurück blieben sein Triumphgeheul in seinen Ohren und ein bitterer Geschmack auf der Zunge. Tag für Tag, Nacht für Nacht hatte er danach auf Beau gewartet. Sein zweiter Sohn war geboren worden, seine Frau hatte mit versteinerter Miene auf dem Bett gelegen, und Austin hatte, die Winchester im Anschlag, gewartet. Der Drang zu töten hatte rasende Schmerzen in ihm erzeugt, doch Beau war nie gekommen.
    So hatte er begriffen, daß Madeline ihrer beider Geheimnis gewahrt hatte. Und das war sein Verderben gewesen.
    Inzwischen waren Beau und Madeline tot und ruhten Seite an Seite im Familiengrab.
    Doch ihr Sohn lebte weiter. Und mit ihm hatte sich der Kreis des Bösen geschlossen. Ihr Sohn hatte seine Tochter verführt und beschmutzt. Das Mädchen war nun tot.
    Er hatte ein Recht auf Rache. Die Rache war sein Schwert.
    Austin richtete den Blick noch immer auf die Schatten der Gitter auf dem Boden. Doppelte Gitter sozusagen. Mit dem hereinbrechenden Abend waren sie weiter nach Westen gewandert. Zwei Stunden lang war er dagesessen und ihnen mit den Augen gefolgt.
    Es war Zeit, einen Plan zu schmieden. Angewidert sah er an seiner blauen Hose herunter. Gefängnistracht. Bald war er sie ja los. Er würde entkommen, denn der Herr half denen, die sich selbst halfen.
    Und dann würde er nach Innocence zurückkehren und das tun, was er vor über dreißig Jahren versäumt hatte. Er würde den Teil von Beau töten, der in seinem Sohn fortlebte. Und die Rechnung endlich begleichen.
    Caroline trat auf die mit Blumen geschmückte Veranda und sog in tiefen Zügen die Sommerdüfte ein. Langsam ging es auf den Abend zu. Das Licht war jetzt angenehmer, und im Gras schwirrten Insekten. Caroline wußte nicht mehr, wann sie zuletzt so satt gewesen war wie heute. Jedenfalls war es ein herrlich angenehmes Gefühl.
    Das Dinner war weitaus mehr gewesen als jede Menge Häppchen auf Silbergeschirr. Sie hatte es als eine langsam auftauchende Insel im Meer der Zeit empfunden, und dort waren die erlesensten Gerüche, köstlichsten Leckereien und amüsantesten Plaudereien verborgen gewesen.
    Teddy hatte mit seiner Serviette Zauberkunststücke vorgeführt, Dwayne, der diesmal erstaunlich nüchtern geblieben war, hatte sein beträchtliches Talent als Parodist unter Beweis gestellt, und Tucker und Josie hatten eine Anekdote nach der anderen über Sexskandale, von denen die meisten bereits ein halbes Jahrhundert zurücklagen, zum Besten gegeben.
    In ihrer Familie waren solche Dinner ganz anders verlaufen.
    Ihre Mutter hatte die Konversation beherrscht und nur züchtige Themen zugelassen. Steril und leblos war es bei ihnen zugega ngen.
    Um so mehr hatte Caroline diesen Tag genossen. Sie war richtiggehend traurig, daß er sich nun dem Ende zuneigen sollte.
    »Du siehst glücklich aus«, bemerkte Tucker.
    »Warum sollte ich auch nicht?«
    »Du bist einfach ein schöner Anblick so.« Er nahm Caroline bei der Hand. Als ihre Finger sich ineinander verschlossen, spürte er nicht so sehr Widerstand, sondern vielmehr Unsicherheit. »Hast du Lust auf einen Spaziergang?«
    »Gern.«
    Es war ja ein wunderschöner Abend an einem herrlichen Flecken Erde.
    Ein Spaziergang war es eigentlich nicht in Carolines Augen, was sie im betörenden Duft der Rosen und Gardenien erlebten, sondern ein Ineinanderfließen. Sie hatten keine Eile, kein Ziel, keine Probleme. Und floß nicht auch Tucker durchs Leben?
    Ein Glitzern im Schein der untergehenden Sonne fiel ihr auf.
    »Ist das dort ein See?« wollte Caroline wissen.
    »Sweetwater«, erwiderte Tucker und lenkte sofort die Schritte in diese Richtung. »Am Südufer hat Beau sein Haus gebaut. Ein paar Reste von den Grundsteinen sind noch zu sehen.«
    »Gott, müssen die einen Ausblick gehabt haben!
    Fruchtbarstes Land, so weit das Auge reicht! Wie fühlt man sich da eigentlich?«
    »Keine Ahnung. Es ist halt da.«
    Caroline gab sich mit dieser Antwort nicht zufrieden, stammte sie doch aus einer Großstadt, in der sogar die Reichen wenig Land besaßen und die Leute sich in den wenigen Grünflächen drängten. »Aber wenn man all das hat…«
    »… dann läßt es einen nicht mehr los.« Er staunte über den eigenen Ausspruch, doch dann tat er ihn mit einem Achselzucken ab. »Man kann es nicht aufgeben, wenn man sich vor Augen hält, daß es von einer Generation zur nächsten weitergereicht worden ist. Immerhin ernährt Sweetwater die Longstreets seit fast zwei

Weitere Kostenlose Bücher