Sehnsucht nach Leben

prägt. Rot, die Farbe der Liebe, in ganz verschiedenen Schattierungen. Gott ist voller Liebe. Gott füllt dich mit Liebe, ganz und gar. Liebe, warm, erwärmend, umfangend, manchmal wohl auch kurz vor dem Verbrennen. Ein Rot, das begeistert, mitnimmt. Ein Wirbel, der berührt, mitreißt, das Leben verändert.
    Jeder Mensch sehnt sich nach der Liebe anderer Menschen, ja, nach der großen Liebe. Geliebt werden, lieben, das sind die stärksten Gefühle im Leben. Sie prägen jeden Einzelnen von uns. Wie viele Erwachsene erzählen mit leuchtenden Augen von der großen Liebe ihrer Jugend! Lieben zu können ist eine tief bewegende Erfahrung, und zu erfahren: Ich bin geliebt, das ist ein überwältigendes Gefühl. Einer meiner Lieblingsfilme trägt den Titel: „Tatsächlich Liebe“. Er erzählt mehrere Geschichten von Paaren; einige gehen gut aus, andere nicht so gut. Am schönsten finde ich den Gedanken, mit dem der Film beginnt und endet: Eine Stimme aus dem Off sagt, immer wenn der Autor daran zweifle, dass es noch Liebe gibt, gehe er an einen Flughafen. Und dort, bei Ankunft oder Abflug, sei so viel Liebe zu spüren. Da begrüßen Eltern ihre Kinder. Da weint der Ehemann beim Abschied. Da freut sich die Frau unbändig auf den Geliebten. Das ist sehr eindrücklich. Abschied und Ankunft machen Liebe sichtbar, die wir im Alltag und in der Routine des Lebens manchmal aus dem Blick verlieren. Oder auch weil die Anforderungen des Zusammenlebens uns so manches Mal zu viel Kraft kosten. Zeiten der Trennung zeigen uns dann aber wieder, wie kostbar das Miteinander, das Vertrauen ist. Liebe will wertgeschätzt sein, damit sie nicht verkümmert. Diese Kostbarkeit im Alltag zu bewahren ist eine große Herausforderung.
    Liebe kann so viel bewegen. Und so tief verletzen. Erfüllte Liebe kann wahrhaftig Berge versetzen; sie kann Menschen verändern, ermutigen, zum Strahlen bringen. Enttäuschte Liebe schmerzt entsetzlich, wirkt zerstörerisch, kann erniedrigen, in tiefe Trauer und Einsamkeit stürzen. Liebe, die zueinanderfindet, kann die ganze Welt vergessen machen. Unerfüllte Liebe kann Romane schreiben über den Schmerz und die Sehnsucht. Und wie sehr können Paare um Liebe ringen! Da gibt es ein böses Wort, das irgendwie nicht mehr aus der Welt zu schaffen ist. Das nagt und nagt, obwohl der andere sich dessen vielleicht gar nicht bewusst ist. Besonders verletzt die Entdeckung einer anderen Beziehung, einer Liebe, von der ich nichts wusste, die mich plötzlich aus der Intimität des Vertrauens im Miteinander ausschließt. Das kann Menschen zutiefst erschüttern. Und auch das gibt es: Entfremdung, den Alltag, der die Liebe weichen lässt. Eine Erfahrung, die plötzlich zwei Menschen fragen lässt: „Was habe ich damals an dir geliebt? Die Liebe ist mir irgendwie abhandengekommen ...“
    Ja, Menschen sehnen sich nach Liebe, aber was ist eigentlich Liebe? Viele Paare suchen nach Wegen, wie sie die Liebe, bei der jedem Anfang ein Zauber innewohnte, wie Hermann Hesse dichtete, bewahren können. Durch Aufmerksamkeit im Alltag, durch Gesten, durch bewusstes Miteinander. Es gibt inzwischen Seminarangebote, in denen Paare lernen können, wie sie ihre Liebe aufrecht-, jung, lebendig halten. Sehnsucht nach Liebe führt dann im besten Fall auch zu einem Ringen um Liebe und um den geliebten Menschen.
    In einer Zeit der Entfremdung, in der immer mehr Menschen allein leben, sprießen Partnerschaftsagenturen aus dem Boden. Es wird versucht, einen anderen Menschen für eine liebevolle Beziehung passend zum eigenen Profil zu finden, und daran ist meines Erachtens nichts verwerflich. Noch immer lernen die meisten Menschen einen Partner oder eine Partnerin am Arbeitsplatz kennen. Aber Arbeitsplätze werden immer anonymer. In einer großen Abfertigungshalle sitzen nur noch wenige Menschen, alle an ihrem Computer. Die Interaktion miteinander entfällt. Da greift Einsamkeit um sich. So versuchen Menschen, einen anderen zu finden, der sie liebt, das Leben mit ihnen teilt. Aber es ist gar nicht so einfach, einen anderen Menschen über das Internet kennen- – und lieben – -zulernen. Die ganze Unbefangenheit ist ja dahin, weil beide wissen: Ich suche einen Partner oder eine Partnerin. Das erzeugt Druck!
    O ja, der Mensch kann auch allein glücklich leben. Alleinsein ist ja nicht gleichbedeutend mit Einsamkeit. Ich kenne