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Sehnsucht nach Owitambe

Sehnsucht nach Owitambe

Titel: Sehnsucht nach Owitambe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Mennen
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würde ihm viel Verständnis entgegenbringen müssen. Auch ihre Zukunft machte ihr zunehmend Sorge. Bislang hatten sie sie in ihren Gedanken und Gesprächen völlig ausgeklammert. Nach Owitambe konnten sie nun nicht mehr zurück. In den Augen
der Schutztruppen war Fritz ein Kapitalverbrecher. Er war zum Tode verurteilt worden und würde überall gesucht werden. Über die Telegrafenstationen würde bald ganz Deutsch-Südwest von seiner Flucht erfahren. Womöglich lobte man sogar eine Belohnung für seine Ergreifung aus. Jella schauderte. Als sie vor wenigen Wochen Fritz’ Flucht geplant hatten, hatte alles so einfach ausgesehen. Die Aussicht, endlich etwas tun zu können, hatte sie alle beflügelt. Jetzt war Fritz frei, aber wo sollten sie hingehen? Gemeinsam mit Johannes und Imelda hatten sie beschlossen, dass sie erst einmal Deutsch-Südwest verlassen mussten. Am einfachsten war dies mit dem Schiff von der britisch besetzten Walfischbucht. Imelda wollte dort mit Riccarda auf sie warten. Von dort fuhren ständig Dampfboote in Richtung Kapstadt. Aber auch dort konnten sie nicht auf Dauer bleiben. Die britische Polizei kooperierte mit den Deutschen. Die Gefahr, ausgeliefert zu werden, war zumindest vorhanden.
    Jella pustete sich eine Locke aus dem Gesicht. Sie durfte sich nicht zu viele Sorgen machen.
    Rajiv saß ihr schweigend gegenüber. Er beobachtete sie und lächelte ihr aufmunternd zu.
     
    Bô führte sie nun tief in die Namibwüste hinein. Ein breiter, rot schimmernder Dünengürtel mit vereinzeltem buschigem Grasbewuchs zog sich scheinbar endlos hin. Die Sichel- und Sterndünen waren oft weit über hundert Meter hoch, und das Vorankommen wurde immer beschwerlicher. Immer öfter mussten sie ihre Pferde hinter sich herführen, und auch die Wasserversorgung machte Jella Sorgen. Aber der Buschmann kannte sich aus. Er fand genügend Tsamma-Melonen, die nicht nur Energie, sondern auch Flüssigkeit für Mensch und Tier lieferten. Zu ihrer Überraschung gab es auch Wasserlöcher und Wild in der roten Wüste. Die beiden Buschmänner fingen kleinere Säugetiere und hin und wieder sogar eine Antilope. Um die vierzig
Meter tiefe Schlucht des Tsauchabriviere nicht durchqueren zu müssen, umgingen sie ihn in westlicher Richtung. Kurz vor Sonnenuntergang am zehnten Tag ihrer Flucht erreichten sie das Sossuvlei, eine riesige Lehmpfanne, die von gewaltigen Sterndünen umgeben war. Jella schnappte vor Staunen nach Luft und stoppte ihr Pferd. Die Dünen waren bestimmt dreimal so hoch wie die, die sie bislang gesehen hatten.
    Aufgeregt zeigte sie auf eine Gruppe von Oryxantilopen, die gerade in weiten Sprüngen über einen scharf gezogenen Dünenkamm setzten. Die untergehende Sonne intensivierte die Sonnenseite der roten Namibdünen und ließ sie wie ein glühendes Feuer leuchten, während die sonnenfernen Rückseiten in bläulich schwarze Schatten eintauchten. Das einzigartige Naturschauspiel beeindruckte sie tief. Selbst Fritz’ verschlossene Miene entspannte sich für einen Augenblick, und er schenkte Jella ein lang ersehntes Lächeln. Ihr Herz schlug ein wenig schneller, und sie ertappte sich dabei, wie sehr sie sich auch körperlich nach ihm sehnte. Im Windschutz einer Düne suchten sie sich einen Lagerplatz. Als die anderen sich zum Schlafen hinlegten, lockte Jella ihren Mann ein Stück weit von den anderen weg, um mit ihm allein zu sein. Sobald die anderen außer Hörweite waren, umschlang sie ihn sehnsüchtig mit ihren Armen. Fritz erwiderte ihren Kuss zurückhaltend. Er war fern all der Leidenschaft, die sie sonst von ihm kannte. Enttäuscht ließ sie von ihm ab.
    »Liebst du mich nicht mehr?«, fragte sie scheu. Im fahlen Mondlicht sah Fritz noch hagerer aus. Er schüttelte leicht den Kopf.
    »Ich liebe dich mehr als mein Leben.« Seine Stimme war kaum mehr als ein Hauch. Seine Augen spiegelten Verzweiflung und Leid. »Es ist nur…«, er suchte nach den richtigen Worten. »Ich kann dich nicht berühren, ohne an die vielen Toten zu denken. Ich kann sie nicht verdrängen, verstehst du?«
Seine Gesichtszüge verhärteten sich. »Die Gefangenschaft hat mich zu einem anderen gemacht. Vielleicht wird es nie mehr so sein, wie es war.«
    Damit wandte er sich abrupt ab und ging zurück zu ihrem Lager. Jella fühlte, wie die Tränen in ihr hochstiegen. Fritz’ Worte hatten sie verletzt. Sie verstand seinen Kummer, aber musste er sie deswegen abweisen? Sie fühlte sich so weit von ihm entfernt. Verwirrt und ratlos machte sie

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