Sehnsucht nach Owitambe
begrüßte er sie ausgelassen. »Seid ihr schon mit dem Essen fertig? Es tut mir leid, dass ich zu spät bin.«
Ricky erwiderte die ungewohnt herzliche Begrüßung mit einem finsteren Blick. Doch Fritz übersah ihn geflissentlich. Er nahm seine Tochter am Arm und führte sie zurück ins Speisezimmer.
»Ich habe wundervolle Nachrichten«, strahlte er und gab Jella einen zärtlichen Kuss auf die Stirn. »Besonders Ricky wird sich über die Abwechslung freuen.«
»Ich freue mich zur Zeit über gar nichts mehr«, brummte Ricky leise. Sie war fest entschlossen, ihre schlechte Laune beizubehalten, egal, was ihr Vater verkündete. Wider Willen heiterte sich ihre Stimmung dann aber doch auf.
»Wir haben eine Einladung in die Durbar des Maharanas – alle drei. Es wird ein festlicher Empfang mit Essen und …« – Fritz zwinkerte seiner Tochter kurz zu – »… und Tanz! Neben indischen Tanzvorführungen wird auch europäische Musik gespielt.«
Jella verdrehte genervt die Augen, doch Rickys Herz schlug schneller. Durbar, Musik und indische Tänze, das war ihre Welt. Es würde wundervoll werden! Vielleicht würde sie noch mal die Tänzerinnen aus dem Gurukulam sehen. Doch dann fiel ihr wieder der Hausarrest ein, und das erstickte ihre Freude im Keim. Ihre Eltern würden sie sicherlich nicht mitnehmen. Vielleicht sollte sie sich doch entschuldigen? So eine Gelegenheit würde sich so schnell nicht wieder ergeben. Aber da war auch noch ihr Stolz. Sie war immer noch der Meinung, dass ihre Eltern sie falsch behandelten. Hätten sie ihre musischen Vorlieben mehr respektiert, wäre es auch nicht nötig gewesen, sich ihren Anordnungen zu widersetzen. Ihr Gesicht verdüsterte sich erneut. Missmutig verschränkte sie ihre Arme. Fritz sah enttäuscht auf seine beiden Frauen.
»Was ist? Freut ihr euch gar nicht? Es ist eine Auszeichnung. Lady Gainsworthy hat ein gutes Wort für mich … ähm … ich meine … für uns eingelegt. Alle wichtigen Personen des Fürstentums werden anwesend sein.«
»Wie aufregend«, meinte Jella ironisch.
Fritz lächelte sie um Verständnis bittend an. »Ich weiß, mein Schatz, dass du offizielle Anlässe verabscheust. Aber das hier ist etwas ganz Besonderes. Es ist das Thronfest des Maharanas, ein ausgelassenes Fest, an dem die ganze Stadt teilnehmen wird. Das können wir uns nicht entgehen lassen.«
Er wandte sich nun Ricky zu.
»Nun mach doch nicht so ein Gesicht«, meinte er freundlich. »Ich weiß genau, was du denkst. Du glaubst, dass wir dich nicht mitnehmen, weil du Hausarrest hast.«
Ricky starrte weiterhin trotzig auf einen unbestimmten Punkt auf dem Boden, als ihr Vater nach einem kurzen Räuspern fortfuhr. »Ich habe in den letzten Tagen viel nachgedacht. Ich habe einen Fehler gemacht, indem ich dich so hart bestraft habe. Ich habe mir eingebildet, dass ich dir wieder vertrauen kann, wenn ich dich bestrafe, aber das funktioniert wohl so nicht. Vielleicht sollten wir deine Vorlieben für die Musik und den Tanz doch ernster nehmen.« Fritz ignorierte das protestierende Stirnrunzeln seiner Frau. »Du hast mein Vertrauen enttäuscht, und das hat mir sehr wehgetan, aber ich hatte nicht überlegt, weshalb du es getan hast. Vielleicht willst du es mir ja bei Gelegenheit einmal erklären.«
Ricky sah ihren Vater erstaunt an. Sie war nicht in der Lage, diesen plötzlichen Sinneswandel so schnell nachzuvollziehen. Aber das war wohl auch nicht nötig. Wichtig war, dass er ihr verziehen hatte und bereit war, die Angelegenheit zu vergessen. Es war wie ein Wunder. Eine Riesenlast fiel von ihrem Herzen, und sie fühlte sich leicht wie ein Vogel. Plötzlich war es ganz leicht, wieder mit ihren Eltern zu reden.
»Es tut mir leid, dass ich euch hintergangen habe«, meinte sie fast fröhlich. »Ich werde es nicht wieder tun.«
»Gott sei Dank!« Jella atmete hörbar auf. »Dann ist der Haussegen ja wiederhergestellt. Unter diesen Umständen will ich auch nicht länger eine Spielverderberin sein und versuchen, meinen ganzen Charme auf dieser Durbar zu versprühen.« Schicksalsergeben erhob sie ihre Hände. »Auch wenn ich es sicherlich bereuen werde.«
Die Zeit bis zu dem großen Thronfest verging wie im Flug. Das Haus war wieder von Rickys Musik erfüllt, während ihre Eltern ihren täglichen Arbeiten nachgingen. Jellas Hauptaufgabe bestand darin, sich in den Armenvierteln um die Cholerakranken zu kümmern. Dank ihres raschen Handelns gab es bald keine
neuen Fälle mehr. Salim Mohan hatte wie
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