Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sehnsucht nach Owitambe

Sehnsucht nach Owitambe

Titel: Sehnsucht nach Owitambe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Mennen
Vom Netzwerk:
versprochen beim Maharana vorgesprochen und ihn dazu bewogen, alle Brunnen in der Stadt und im weiteren Umkreis überprüfen zu lassen und dafür zu sorgen, dass die verseuchten Wasserstellen versiegelt wurden. Die sauberen Brunnen wurden unter königliche Obhut gestellt, wobei Soldaten dafür sorgten, dass die Wasserverteilung auch über die Kastengrenzen hinweg funktionierte. Die Infektionsherde waren so bald ausgemerzt. Sita überlebte die Seuche nicht. Die Frau des Kesselflickers war noch in derselben Nacht gestorben. Jella war darüber tief bekümmert, weil sie wusste, dass die Familie nun noch ärmer sein würde, als sie es ohnehin schon gewesen war. Die Tatsache, dass die anderen Kranken dank der Mineralien, die sie ihnen verabreicht hatte, überlebt hatten, tröstete sie nur wenig. Sie hätte so gern mehr getan. Es musste doch möglich sein, die Krankheit bereits im Körper zu bekämpfen. Sie dachte an einen Impfstoff, ähnlich dem, den es gegen die Pocken bereits gab. Am liebsten hätte sie selbst daran geforscht und ihre Erfahrung, die sie bei Professor Robert Koch in Berlin erworben hatte, angewandt, doch dazu fehlte ihr einfach die Zeit. Die einfachen Leute der Stadt nahmen sie mittlerweile voll in Anspruch. Als Memsahib Dawa, als Medizinfrau, war sie für alles Mögliche zuständig. Sie musste kleinere Wunden versorgen, Brüche einrichten, Erkältungen behandeln und immer wieder auch Operationen durchführen. Man rief sie sogar, um Streit zu schlichten. Kurzum, sie war mit ihrer täglichen Arbeit voll ausgelastet. Für ihre Behandlungen bekam sie meist kein Geld. Die Armen nahmen ihre Hilfe wie selbstverständlich an und dankten ihr nicht einmal. Dafür brachten sie ihr Geschenke. Frische Blumen, Gemüse, einen einfachen Armreif und hin und wieder sogar ein Huhn. Jella beschämten diese Geschenke oft, denn sie wusste, dass sie angesichts der Verhältnisse, in denen die einfachen Menschen lebten, damit überreich beschenkt wurde. Allerdings fand ihre
Arbeit nicht in allen Gesellschaftsschichten Zuspruch. Die englischen Ladys sahen Jellas Einsatz für die einfachen Leute mit offener oder versteckter Missbilligung. Für eine weiße Frau in den Kolonien war es nicht schicklich zu arbeiten, schon gar nicht in einem Männerberuf und erst recht nicht für die Armen. Am liebsten hätte Jella die Gesellschaft dieser hochnäsigen Damen ganz gemieden, aber Fritz bestand darauf, dass sie sich ab und zu sehen ließen, schon allein, um das Gerede in Schranken zu halten. Mit zusammengebissenen Zähnen und eingefrorenem Lächeln überstand sie die Empfänge, zu denen sie sich sehen lassen musste, und ertrug die Schmähungen und Spitzen nur ihrem Mann zuliebe. Vor allem Lady Gainsworthy tat sich gern damit hervor, während sie Fritz offen zeigte, wie attraktiv sie ihn fand. In solchen Momenten sehnte sich Jella besonders nach dem einfachen Leben in Afrika zurück. Auch am Hof des Maharana gab es einige Hofdamen, die sich äußerst ungnädig darüber zeigten, dass Jella keine Zeit mehr für sie hatte. Nur wenn Salim sie persönlich darum bat, assistierte sie ihm noch hin und wieder in den vornehmen Häusern und fürstlichen Palästen. Jella fand die indische High Society mindestens so schwierig wie die englische, aber sie wusste auch, dass sie es nicht übertreiben durfte, denn die Inder waren mindestens so erfindungsreich im Spinnen von Intrigen wie die Engländer.

Aufregung
    Der Klassenraum war von konzentrierter Stille erfüllt. Außer Blätterrascheln und gelegentlichem Räuspern war nichts zu hören. Raffael überflog soeben die dritte von fünf Prüfungsaufgaben und lächelte. Die Analysisaufgaben waren überschaubar und leicht zu lösen. Er griff nach seinem Füller und machte sich an die Lösung. Konzentriert, wie er war, merkte er nicht, wie ihm sein Vordermann, Jon Baltkorn, einen Zettel unter seine Arbeitsblätter schob. Dr. Hartriegel machte seinen ersten Rundgang. Der schmächtige Mathematiklehrer schaute seinen Schülern über die Schulter und ließ hier und da ein vielsagendes Räuspern hören. Bei Jon Baltkorn schüttelte er nur den Kopf. Dann fiel sein Blick auf den Tisch von Raffael. Der junge Mann lächelte ihm freundlich zu. Wohlwollend betrachtete Dr. Hartriegel die Ergebnisse seines besten Schülers, als er plötzlich das Blatt mit der Formelsammlung und Lösungsansätzen erblickte.
    »Was ist das?«, fragte Dr. Hartriegel irritiert. Raffael blickte auf den Zettel und schüttelte ahnungslos den

Weitere Kostenlose Bücher