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Sehnsucht nach Owitambe

Sehnsucht nach Owitambe

Titel: Sehnsucht nach Owitambe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Mennen
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jetzt!«
    »Sei doch vernünftig!« Jella überlegte verzweifelt, wie sie den Stoffhändler doch noch zum Einlenken bewegen konnte. Der Mann war stur, wenn nicht sogar einfältig. Es musste einfach
einen Weg geben! Doch für Jeteendra stand die Sache fest, und er machte Anstalten, in seinen Laden zurückzugehen. Plötzlich eilte eine Frau auf sie zu und warf sich vor Jella nieder.
    »Memsahib Dawa«, heulte sie. »Du musst schnell in mein Haus kommen. Mein Mann – ich glaube, er stirbt. Er kann seit Tagen nichts mehr bei sich behalten.« Jella versuchte die Frau zu beruhigen und fragte, wo sie wohne.
    »Mein Haus ist gleich hier um die Ecke. Die Kinder haben mir erzählt, dass du in unserem Viertel bist. Ich danke den Göttern dafür. Komm, komm!«
    Jella schickte die Frau voraus, dann sah sie Jeteendra mit gerunzelter Stirn an. »Glaubst du nun, was ich dir sage?«, fragte sie. »Es ist schon schlimmer als befürchtet. Wer weiß, vielleicht ist euer Brunnen auch schon verschmutzt. Wer soll euch dann helfen?«
    Jeteendra kratzte sich verlegen unter seinem Turban.
    »Ist ja gut«, brummte er schließlich. »Wenn unser Brunnen noch zu gebrauchen ist, dann können die Shudras auch bei uns Wasser holen.« Mit einem verächtlichen Blick auf Vikram fügte er hinzu: »Aber nur nach Eintreten der Dunkelheit. Am Tag will ich keinen von euch sehen!«
    »Ein weiser Entschluss«, lobte Jella erleichtert. »Wenn ihr mich nun entschuldigt.« Mit großen Schritten eilte sie zu dem Haus der Frau. Der Geruch, der ihr beim Betreten des Hauses entgegenschlug, war derselbe, den Jella aus dem Haus des Kesselflickers kannte. Es handelte sich ohne Zweifel um Cholera. Sie kam zu spät. Der Mann, ein Goldschmied, war wenige Minuten zuvor an der Krankheit gestorben. Seine Frau lag klagend über seinem schmächtigen Körper und streichelte ihm immer wieder über sein fahles, eingefallenes Gesicht. Jella schob sie mit sanfter Gewalt von ihrem toten Mann weg.
    »Du musst dafür sorgen, dass er schnell verbrannt wird«, ermahnte sie die unglückliche Frau. »Du willst sicherlich nicht,
dass deine Kinder ebenfalls sterben und du selber auch.« Die Frau nickte unter Tränen, erhob sich aber sofort, um ihre Nachbarn zu Hilfe zu holen. Jella untersuchte unterdessen die Wasserbehälter der Familie. Das Wasser schien in Ordnung zu sein. Als die Frau mit zwei Männern zurückkehrte, fragte Jella sie nach dem Verlauf der Krankheit aus. Offensichtlich hatte sich der Goldschmied auf einer Reise, von der er erst vor ein paar Tagen zurückgekehrt war, infiziert. Wenn die Menschen Glück hatten, war ihr Wasser noch rein. Sie beschloss, eine Probe mitzunehmen und zu Hause zu untersuchen. Danach machte sie sich auf den Weg zurück zur Hütte des Kesselflickers. Sita lag immer noch apathisch in ihrer Ecke. Ihr Mann versuchte geduldig, ihr etwas Wasser mit den aufgelösten Mineralien einzuflößen. Doch kaum hatte sie ein paar Tropfen hinuntergewürgt, erbrach sie sich auch schon wieder. Die Frau lag immer noch in ihren Exkrementen.
    »Du musst versuchen, sie sauber zu halten«, ermahnte sie den Kesselflicker. »Ihr müsst alle auf Sauberkeit achten! Ab heute Abend könnt ihr das Wasser aus dem Nachbarviertel holen.« Der Mann wollte noch etwas sagen, doch Jella war schon auf dem Weg zum nächsten Patienten. Es tat ihr weh, den Kesselflicker und seine Familie ohne weitere Hilfe zurücklassen zu müssen, aber jetzt musste sie alles tun, um eine Epidemie zu verhindern. Den Bewohnern der Nachbarhütte ging es noch erheblich besser als Sita. Jella gab auch ihnen etwas von dem Mineralpulver und trichterte ihnen ein, sich sauberes Wasser zu beschaffen. Dann eilte sie weiter. Insgesamt zählte sie elf Fälle. Abgekämpft und am Ende ihrer Kräfte schaute sie noch bei Salim Mohan vorbei und berichtete ihm von dem Ausbruch der Seuche. Es war seine Sache, den Maharana und die englische Kolonialbehörde zu informieren. Erst dann machte sie sich auf den Heimweg.

    Jamina bedurfte keiner großen Worte, um zu sehen, wie erschöpft ihre Herrin war. Sie wies Bali an, Wasser heiß zu machen und es für ein Bad in die Zinkwanne im Badezimmer zu füllen. Als er fertig war, aromatisierte sie das wohltemperierte Wasser mit ayurvedischen Ölen und frischen Blumen. Jella ließ sich mit einem wohligen Seufzen in das entspannende Nass gleiten, streckte sich aus und schlief sofort ein. Als sie eine halbe Stunde später erwachte, stand eine Tasse dampfender süßer Chai Massala neben ihr.

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