Sehnsucht nach Owitambe
Unglück.«
Raffael wollte etwas erwidern, verbiss sich dann aber doch lieber eine Bemerkung. Inzwischen hatte sich Helmut Weiß von Nachtmahr gelöst und kam mit ausgebreiteten Armen auf sie zu.
»Herzlich willkommen, liebe Nachbarn! Ich hoffe, ihr hattet eine gute Fahrt. Das Wetter ist ja wirklich wunderbar – als ob es das nicht immer wäre um diese Jahreszeit, haha!«
Sein feistes rotes Gesicht strahlte nur so vor guter Laune und Vorfreude. Weiß winkte einem der Diener, die mit Tabletts durch die Menge liefen. »Wie wäre es mit einem Begrüßungsbier für die Herren und einer kühlen Limonade für die Dame?«
Während die anderen dankbar zugriffen, nutzte Raffael die Gelegenheit, um sich unbemerkt zu verdrücken. Es gelang ihm, Sonja ein heimliches Zeichen zu geben. Sobald die Dämmerung begann, wollten sie sich treffen. Ungeduldig vertrödelte er die Zeit mit Rajiv und Imelda und achtete darauf, dass er Baltkorn und seinen Kumpanen aus dem Weg ging. Auf keinen Fall wollte er heute eine neue Konfrontation provozieren. Zum Glück waren Baltkorn und seine Freunde mit Trinken und schmutzigen Zoten beschäftigt. Nur einmal, als Baltkorn ausgerechnet Sonja eine anzügliche Bemerkung hinterherrief, war er kurz versucht, aus seiner Deckung aufzutauchen. Als die Sonne die Farm in ihr warmes, orangefarbenes Licht zu tauchen begann und die Schatten länger und die Hitze angenehmer wurde, schlich er unbemerkt hinter den Geräteschuppen, an den sich ein bewaldeter Hügel mit einem dicken Baobabbaum anschloss. Er verbarg sich hinter dem dicken aufgedunsenen Stamm des wasserspeichernden Baums und wartete. Wenige Minuten später entdeckte er Sonja, wie sie sich suchend nach ihm umwandte. Wie hübsch sie war! Ihre Bewegungen glichen der einer Gazelle, so zart und zerbrechlich. Als sie in die Nähe des Baobabbaums kam, wartete er, bis sie nah genug war, um sie dann zu erschrecken. Er trat von hinten auf sie zu und umfasste ihre schmalen Hüften. Sonja kreischte erschrocken auf und fuhr sich sogleich mit der Hand über den Mund, aus Angst, dass jemand sie gehört hatte.
»Du schrecklicher Mensch!«, japste sie vergnügt. »Du bist schuld, wenn wir hier entdeckt werden.«
»Psst!«
Raffael hatte tatsächlich etwas gehört. »Ich glaube, da kommt jemand. Der Krach kommt vom Geräteschuppen.« Er sah sich hektisch um. Die einzige Fluchtmöglichkeit, die sich ihnen bot, war, im Schatten der Bäume zu den nächstgelegenen Stallungen zu schleichen. Er nahm Sonja bei der Hand und nutzte die Deckung der Pflanzen. Ein paar Kinder rannten von dem Geräteschuppen in Richtung des Hügels. Sie jagten einander und waren ganz in ihr Spiel vertieft. Bevor die beiden die Rückseite des Pferdestalls erreicht hatten, begegnete ihnen einer der Pferdeknechte, der gerade mit einem Sack Hafer aus der Vorratskammer kam. Sie nickten ihm freundlich zu und warteten, bis er um die Ecke verschwunden war, dann huschten sie zu der Tür, die in die Sattelkammer führte. Hier hofften sie einigermaßen ungestört zu sein. Raffael öffnete den Riegel und zog Sonja mit sich in die Kammer. Es roch nach Leder und Pferdeschweiß. Immerhin drang durch ein kleines Fenster genügend Licht in die Kammer, sodass sie sich orientieren konnten. An den Holzwänden hingen Trensen, Halfter und Kutschgeschirr. Die Sättel waren auf Holzböcken aufgebockt. Ansonsten wirkte der Raum ziemlich ungemütlich. Nicht einmal eine Sitzgelegenheit befand sich darin. Raffael entdeckte eine Tür, die zu den Boxen der Pferde führen musste. Er öffnete sie einen Spalt und winkte Sonja herbei.
»Sieh mal! Hier ist es richtig gemütlich!«
Vor dem eigentlichen Pferdestall befand sich noch eine geräumige Box, in der man trächtige Stuten oder kranke Pferde separieren konnte. Sie stand leer, war aber mit sauberem, frischem Stroh ausgelegt. Der Stallbursche musste gerade erst mit seiner Arbeit fertig geworden sein, denn seine Mistgabel lehnte noch an der Holzwand der Box.
Sonjas Brustkorb hob und senkte sich vor Aufregung. Ihre Wangen glühten rosig, als sie Raffael in die Augen sah. Bevor
sie etwas sagen konnte, zog er sie an sich und küsste sie. Bislang waren ihre wenigen Küsse immer scheu und fast verschämt gewesen, doch der Zauber dieses Augenblicks löste in beiden etwas aus, was sie so noch nie erfahren hatten. Als Raffaels Zunge an Sonjas Zähne stieß, öffnete sie zum ersten Mal bei einem Kuss ihren Mund. Um dem Eindringen seiner Zunge zu begegnen, stieß sie mit ihrer
Weitere Kostenlose Bücher