Sehnsucht nach Owitambe
fror. Neben ihr tönten Fritz’ gleichmäßige Atemzüge. Sie beschloss, sich eine Wolldecke zu holen. Schwungvoll schlug sie die Bettdecke zur Seite, als sie ein drohendes Zischeln direkt neben ihrem linken Fuß vernahm. Allein der Gedanke, dass ihre Befürchtung wahr sein konnte, ließ sie zu Stein erstarren. Reglos lag sie da und betete, dass sie sich irrte. Kalter Schweiß benetzte ihre Stirn, als sie endlich wagte, ihren Kopf ein wenig anzuheben. Im Zimmer war es ziemlich dunkel. Nur ein wenig Mondlicht drang durch die Fensteröffnungen. Es reichte aus, um ihrer Angst Gewissheit zu verschaffen. Direkt neben ihrem linken Unterschenkel lag ein dunkler, schlauchähnlicher Schatten, dessen eines Ende sich unruhig erhob und hin- und herschwankte. Jella verabscheute Schlangen nicht nur aus tiefstem Herzen, sie fürchtete sich mehr vor ihnen als vor jedem anderen Tier. Die unberechenbare Art ihrer Bewegungen, die schuppige Haut, die geschlitzten Pupillen, allein der Gedanke daran konnte schon eine Hysterie in ihr auslösen. In panischen Atemzügen hob und senkte sich ihr Brustkorb. Sie kämpfte mit dem Bedürfnis, laut zu schreien, weil der letzte Rest Vernunft in ihr sagte, dass dies ihr Ende sein konnte.
Sie musste Fritz wecken, aber ihr Hals war trocken, und sie bekam keinen Ton über ihre Lippen. Sie wusste nicht, wie lange sie so dalag. Sie wusste nur, dass sie sich keinen Millimeter vom Fleck rühren durfte, um das Reptil nicht zu erschrecken.
Plötzlich ging die Tür auf, und eine dunkle Gestalt huschte in das Zimmer.
»Mutter?«
Jella drehte leicht den Kopf und sah, wie ihre Tochter direkt auf ihr Bett zusteuerte. Sie musste gleich bei ihr sein. Unter Aufbietung all ihrer Kräfte hob sie ihren Kopf und krächzte: »Bleib stehen. In meinem Bett ist eine Schlange!«
Die Panik in ihrer Stimme ließ Ricky innehalten. Die Petroleumlampe in ihrer Hand beleuchtete das vor Schreck erstarrte Gesicht ihrer Mutter, als sie die Schlange entdeckte.
»Mein Gott!«, sagte sie seltsam gefasst. Im Gegensatz zu Jella sah Ricky Schlangen als durchaus faszinierende Tiere, zumindest sofern sie keine Giftschlangen waren. Immerhin half ihr das, in diesem Moment einen kühlen Kopf zu bewahren. »Rühr dich auf keinen Fall! Ich werde Vater wecken.«
»Beeil dich!«, keuchte Jella verzweifelt. »Ich halte es kaum noch aus!«
Fritz verfügte über einen gesegneten Schlaf und hatte immer noch nichts mitbekommen. Vorsichtig begab sich Ricky zu Fritz’ Bettseite und tippte ihn leicht an. Um ihre Mutter nicht zu gefährden, wollte sie auf gar keinen Fall, dass er aufschreckte und eine unbedachte Bewegung tat. Als er verschlafen blinzelte, warnte sie ihn eindringlich.
»Beweg dich auf keinen Fall. In eurem Bett ist eine Schlange.« Fritz Augen weiteten sich erschrocken, doch er blieb gefasst.
»Wo ist sie genau?«
»Auf der anderen Seite des Bettes direkt an Mutters Fuß.«
»Dann kann ich mich also vorsichtig aus dem Bett rollen?«
Ricky nickte.
Fritz erfasste die Lage sofort. Sobald er aus dem Bett war, suchte er nach einem geeigneten Gegenstand. Sein Blick fiel auf eine Gardinenstange. Mit einem Ruck riss er sie vom Vorhang und trat zu Jella ans Bett.
»Ich werde die Schlange mit der Stange vom Bett katapultieren«, erklärte er seiner Frau. »Gleich bist du sie los.«
»Ich kann nicht mehr«, wimmerte Jella. Ein unkontrollierbares Zittern befiel sie und erfasste auch ihre Füße. Die Schlange richtete sich erneut auf und spreizte drohend ihr Halsband. Mit wiegenden Bewegungen lotete sie die Gefahr aus, die auf einmal für sie aufgetaucht war. Die zitternden Beine direkt neben ihr ließen sie wütend aufzischen. Sie bog ihren Körper zurück und stieß mit geöffnetem Maul zu. In diesem Augenblick wurde sie von Fritz’ Stange durch die Luft gewirbelt. Sie drehte sich mehrmals um ihre eigene Achse und fiel dann auf den Boden. Sofort ging sie wieder in Angriffsstellung über. Dieses Mal war Fritz ihr Angriffsziel. Noch einmal schnellte ihr Körper vor, doch er wich bis zur Wand zurück und der Angriff ging ins Leere. Die Schlange floh nun unter das Bett und kroch direkt auf Ricky zu, die immer noch an derselben Stelle stand. Fritz rief ihr noch eine Warnung zu, doch bis sie die Schlange entdeckte, war es zu spät. Das Tier hob ein drittes Mal seinen Kopf und schnellte vor. Dieses Mal traf sie ihr Ziel.
Nägel mit Köpfen
Raffael war endlich zu einem Entschluss gekommen. Er würde Sonja bitten, seine Frau zu werden, und
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